Wie die AfD im Bundestag Entwicklungspolitik macht

Opposition
Misstrauen säen, Vorurteile bestärken, Fakten ignorieren: Auch in der Entwicklungspolitik bleibt sich die AfD treu, kommentiert Tillmann Elliesen.

Vor sechs Jahren, anlässlich des 50. Geburtstages der deutschen Entwicklungspolitik, habe ich an dieser Stelle für mehr Opposition plädiert: Es gebe in der Entwicklungspolitik seit Jahrzehnten „eine informelle große Koalition“ aller Bundestagsfraktionen, in der sich die grundsätzlichen Positionen nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Das verhindere fruchtbaren Streit und versperre den Blick auf Alternativen, schrieb ich damals.

Jetzt ist sie da, die Fundamentalopposition, und sie verspricht sogar schon in ihrem Namen Alternativen. Nach einem Jahr AfD kann man allerdings festhalten: Das hat die Entwicklungspolitik nicht verdient. Wie in anderen Politikfeldern bleibt die Partei ihrer Strategie treu, zunächst einmal alles zertrümmern zu wollen, was zum alten „System“ gehört. Und wie bei anderen Themen hat sie auch in der Entwicklungspolitik wenig zu bieten, was dem „A“ in ihrem Namen gerecht würde.

Während andere Oppositionsfraktionen ihre Lieblingsthemen haben und gezielte Schüsse auf die Regierung abgeben – die Linke etwa auf die Förderung des Privatsektors –, ballert die AfD blind mit der Schrotflinte auf alles und jeden. Wieviel Geld verdienen die Mitarbeiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit? Sind die Entwicklungskredite, die die KfW vergibt, gegen Verlust gesichert? Hat das Entwicklungsministerium (BMZ) im Blick, was die von ihm geförderten nichtstaatlichen Hilfsorganisationen mit dem Geld machen? Mit solchen Fragen befassen sich die parlamentarischen Anfragen und Anträge der AfD.

Das ist ihr gutes Recht. Nur hat man nicht den Eindruck, dass dahinter mehr steht als der pauschale Verdacht, in der Entwicklungspolitik werde doch nur gutes deutsches Geld verpulvert. Für die Entwicklungspolitik der AfD gilt dasselbe wie für ihre übrigen Aktivitäten: Sie zeichnet sich aus durch eine Mischung aus Konzeptlosigkeit, Ignoranz und Vorurteil.

Eklatante Widersprüche

Im harmlosesten Fall führt das zu eklatanten Widersprüchen. So hatte der entwicklungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Dietmar Friedhoff, keine Einwände gegen den Antrag seiner Fraktion, die im Bundeshaushalt 2019 eingeplanten BMZ-Mittel für eine neue Sonderinitiative für Ausbildung und Jobs in Afrika komplett zu streichen. Er teile das „vollumfänglich“, sagt Friedhoff auf Anfrage. Gleichzeitig hat er sich vor kurzem in einer Pressemitteilung mit Nachdruck dafür ausgesprochen, mehr Geld in eine „Bildungsoffensive“ in Afrika zu stecken und Facharbeiter zu fördern – genau das, was das BMZ mit der Sonderinitiative will.

In weniger harmlosen Fällen folgt die AfD ihrer üblichen Strategie und behauptet etwas, was dann als vermeintliche Tatsache im Raum steht, ohne dass sie es belegen kann. So hat sie beantragt, die staatlichen Fördermittel für die kirchlichen Hilfswerke um die Hälfte zu kürzen – „aufgrund der Vielzahl zweifelhafter Projekte“, wie es in der Begründung heißt. Welche Projekte das sein sollen, kann die AfD auf Anfrage nicht sagen. Stattdessen verweist sie auf einen Bericht des Bundesrechnungshofes. Darin wird das BMZ aufgefordert, besser zu dokumentieren, wie die Hilfswerke die Mittel verwenden. In der Prüfung ging es jedoch allein um Abrechnungsverfahren im Ministerium. Anders als die AfD suggeriert, sagt der Bericht nichts zur Qualität der geförderten Projekte.

Ausländerfeindliches Gift versprühen

Im schlimmsten Fall nutzt die AfD die Entwicklungspolitik im Parlament, um ihr ausländerfeindliches Gift zu versprühen. So erkundigt sie sich in einer Anfrage vom September zunächst sehr allgemein nach Studenten und Studentinnen aus Entwicklungsländern und behauptet pauschal, das seien „vom BMZ finanzierte“ Studienplätze. Das ist Unsinn: Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, die Kosten für diese Studienplätze auf die deutsche Entwicklungshilfe anzurechnen; das Geld dafür kommt aber nicht aus dem BMZ-Haushalt. Das Ministerium fördert lediglich einige Stipendienprogramme.

Dann will die AfD in der Anfrage wissen, ob die nach Deutschland eingeladenen Studenten einer Sicherheitsprüfung unterzogen würden. Und schließlich fragt sie, ob das BMZ auch den Studienplatz von Sami A. finanziert habe, des mittlerweile nach Tunesien ausgewiesenen mutmaßlichen Leibwächters von Osama bin Laden. Einziger Zweck dieser Anfrage: Misstrauen säen gegenüber jungen Migranten, die hier studieren, und den Verdacht in den Raum stellen, deutsche Entwicklungshilfe finanziere das Studium mutmaßlicher Terrorhelfer.

Die AfD wird uns noch eine Weile erhalten bleiben, auch in der Entwicklungspolitik. Die Demokraten im Parlament, die Medien und die entwicklungspolitische Zivilgesellschaft müssen sich dem stellen und zeigen, dass diese Partei außer Demagogie und Ressentiment nichts zu bieten hat.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2018: Mehr als Reis und Weizen
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