Schwacher Trost

Die EU brüstet sich mit ihrer schnellen und umfangreichen Hilfe für Entwicklungsländer als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise. Entwicklungsorganisationen bezeichnen das als Augenwischerei.

Eine Woche nach dem Londoner „Weltkrisengipfel“ der G20-Staaten Anfang April kündigte die EU-Kommission in einer „Mitteilung“ an, sie werde die Hilfe für die Entwicklungsländer zur Bewältigung der Wirtschaftskrise vorziehen. Die EU setze die guten Vorsätze des Weltwirtschaftsgipfels damit als erste um, hieß es selbstzufrieden.

Diese „Mitteilung“ bildete die Grundlage für Erörterungen im EU-Ministerrat Mitte Mai und im gemeinsamen Rat der Minister der EU und der assoziierten Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifik zehn Tage darauf. Der EU brachte das in der Presse einige freundliche Überschriften, während Entwicklungsorganisationen wie Oxfam und ActionAid sowie NGO-Netzwerke wie Solidar oder Eurostep und der EU-Dachverband Concord Europe Einwände erhoben.

In der Tat erweisen sich die von der Kommission vorgeschlagenen und von den EU-Ministern abgenickten Maßnahmen bei genauerem Hinsehen als Umwidmung längst eingeplanter Mittel für die AKP-Staaten aus dem EU-Haushalt und aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Insgesamt 4,3 Milliarden Euro werden dieses Jahr laut  Kommission vorzeitig bereitgestellt, 3,5 Milliarden davon als Budgethilfen – doch dabei handelt es sich um Mittel, die im EEF eigentlich zum Ausgleich von Einbußen bei Exporterlösen eingeplant sind (FLEX).

Die übrigen 800 Millionen Euro Krisenhilfe will die EU der einmaligen Agrarhilfe-Initiative entnehmen, jenem Sondertopf aus nicht verbrauchten EU-Subventionen für die eigene Landwirtschaft also, den die EU nach langer Diskussion als Reaktion auf die gestiegenen Nahrungsmittelpreise im Dezember 2008 eingerichtet hatte.

Gnade vor der Kritik der nichtstaatlichen Organisationen fand allenfalls die erklärte Absicht der EU, die Hilfe schneller auszuzahlen. Seit langem klagen Hilfsorganisationen ebenso wie Empfängerländer über die schleppende Auszahlung von zugesagten Mitteln. Mit der Agrarhilfe-Initiative scheint es ähnlich zu sein: Bislang wurden von der einen Milliarde Euro nur 153,4 Millionen Euro an drei UN-Organisationen überwiesen. Bis Ende Mai hat die Kommission Hilfsprojekte mit einem Volumen von weiteren 200 Millionen Euro ausgeschrieben, in der Regel Nothilfeprojekte. Sie werden wohl nur mit viel Glück noch vor Ende dieses Jahres die Prozedur zur Genehmigung durchlaufen.

Hilfsorganisationen kritisieren, Spenden dieser Art seien bestenfalls Benefiz „nach Art von Band-Aid-Konzerten“ (ActionAid) und änderten nicht „die grundlegenden die Fehler im System, von denen wir wissen, dass sie die Armut in Entwicklungsländern verschärfen“ (Concord Europe).

Regelrecht pikiert reagiert die EU-Kommission, wenn diese Fehler angesprochen werden. Ende Mai  legte CIDSE, das Netzwerk katholischer Entwicklungsorganisationen, einen Bericht zu den schädlichen Auswirkungen der Agrarpolitik der EU und der USA auf die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern vor. Auch die „Förderung“ der Agrarproduktion in armen Ländern durch die Industrieländer ziele auf eine kapital- und energieintensive Produktionsweise, die von importierten Maschinen, Düngemitteln und patentiertem Saatgut aus den Industrieländern abhängig mache.

Als „ermüdende und überzeichnete Argumente“ bezeichnete dies ein Kommissionssprecher – und führte nicht nur die Agrarhilfe-Initiative dagegen an, sondern auch die Bemühungen der EU um eine Wiederbelebung der Doha-Runde der Welthandelsorganisation. Diese habe ebenso wie die Freihandelsverträge (EPA) zwischen der EU und den AKP-Ländern das Ziel, in den Entwicklungsländern die „Exporteinnahmen der Landwirte und die Produktivität zu fördern sowie den Zugang zu Nahrungsmitteln zu erleichtern“.

erschienen in Ausgabe 7 / 2009: Finanzordnung: Was die Krise lehrt
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