Als Entwicklungshelfer nach Deutschland

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Neuer Weltdienst
Die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe AGEH will ausländische Fachkräfte für begrenzte Zeit nach Deutschland holen. Sie sollen wie deutsche Entwicklungshelfer behandelt werden.

Als zwei Wochen vor dem Start Fact-Finding-Mission aus Deutschland die Partner in Brasilien immer noch keine Bestätigung der Besuchstermine geschickt hatten, blieb Felipe Bley-Folly die Ruhe selbst. „Als Brasilianer weiß ich, dass meine Landsleute das auch auf den letzten Drücker perfekt hinkriegen“, sagt der 34-jahrige Rechtsanwalt aus dem südbrasilianischen Curitiba.

Seit Februar 2018 arbeitet Bley-Folly in Heidelberg bei der Menschenrechtsorganisation FIAN International, hält den Kontakt zu brasilianischen Aktivisten gegen Landraub und macht Lobbyarbeit für ihr Anliegen. „Ich bin das Versuchskaninchen der AGEH“, sagt der schlanke junge Mann mit dem blonden Lockenkopf und lacht. Felipe Bley-Folly ist eine von fünf Entwicklungsfachkräften aus Ländern des Südens, welche die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe AGEH in einem Pilotprojekt an deutsche Organisationen vermittelt hat.

Damit betritt die katholische Organisation nach 60 Jahren Entsendung deutscher Fachkräfte Neuland. „Die Zeit ist reif dafür, dass wir umdenken und eine globale Perspektive einnehmen“, sagt Claudia Lücking-Michel, die Geschäftsführerin der AGEH. „Eine faire Beziehung zu unseren Partnern heißt auch, dass wir Fachkräfte aus dem Süden nach Deutschland einladen.“

Entwicklungshelfergesetz soll angepasst werden

Damit sind allerdings nicht die Krankenschwester aus den Philippinen oder der Informatiker aus Indien gemeint, die in Deutschland Fachkräfte-Löcher füllen sollen. Es geht um Personen aus dem Süden, die sich für eine begrenzte Zeit in Deutschland in Dienst nehmen lassen für eine globale Lerngemeinschaft. Im Unterschied zur Süd-Nord-Komponente des weltwärts-Programms der Bundesregierung, das ungelernte junge Freiwillige aus dem Süden für ein soziales Jahr nach Deutschland holt, richtet sich der neue „Weltdienst“ der AGEH an Personen, die bereits über eine Ausbildung und über Berufserfahrung verfügen.

Die AGEH spricht zwar von Fachkräften, bezieht sich in der Praxis aber auf das Entwicklungshelfergesetz, welches dieses Jahr 50 Jahre alt wird. Das Gesetz garantiert, dass entsandte Fachkräfte aus Deutschland während ihres Einsatzes im Ausland sozial abgesichert sind. Bisher kann nur Fachkraft nach dem Entwicklungshelfergesetz werden, wer einen deutschen oder einen EU-Pass vorweisen kann.

Das möchte die AGEH nun geändert wissen. Das Entwicklungshelfergesetz sollte in zwei Punkten erweitert werden, sagt Lücking-Michel: Zum einen solle die Zielgruppe auf Menschen außerhalb der EU erweitert werden, zum anderen sollte Deutschland als Zielland für einen Entwicklungsdienst aufgenommen werden. Die AGEH-Geschäftsführerin hofft, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode dahingehend geändert wird. Damit wäre der Weg frei, dass der Bund den neuen Weltdienst fördert so wie jetzt schon den Zivilen Friedensdienst und das weltwärts-Programm.

Erfahrung mit Lebensmittelprogrammen für arme Bevölkerung

Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern verschiedener Partnerorganisationen der AGEH aus Südamerika soll nun einen Vorschlag für eine „Süd-AGEH“ auf den Weg bringen, die den personellen Austausch sowohl zwischen den Ländern des Südens als auch zwischen Süd und Nord organisiert. „Der Norden soll genauso von den Fachkräften des Südens profitieren wie der Süden von Entwicklungsfachkräften aus Deutschland“, sagt Lücking-Michel.

Was können die Menschen in Deutschland vom Süden lernen? Felipe Bley-Folly hat da schon eine Idee: „In Brasilien haben wir viel Erfahrung mit Lebensmittelprogrammen für die arme Bevölkerung. Wir könnten in Deutschland die Tafeln organisatorisch unterstützen.“ Und selbst von Haiti, einem der ärmsten Länder der Erde, könnte Deutschland lernen, sagt Claudette Coulanges. Die gelernte Kamerafrau und Arzthelferin stammt von der Karibikinsel, hat 16 Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet und ist deutsche Staatsbürgerin. Seit Ende 2015 koordiniert sie als von der AGEH entsandte deutsche Entwicklungshelferin ein Projekt in ihrer Heimatstadt Aquin. „Wenn Haiti 15 Prozent von der deutschen Planung und Deutschland 50 Prozent von der haitianischen Gelassenheit und Widerstandsfähigkeit lernen würde, wäre die Mischung perfekt“, sagt sie.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2019: Multilaterale Politik: Zank auf der Weltbühne
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