Die Macht der Lobbyisten 

Unternehmen
Pünktlich zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zeigt ein Bericht von NGOs in Deutschland und Brüssel, wie groß der Einfluss von Lobbyisten auf die deutsche Regierung und damit auch auf EU-Gesetze ist. 

Ab 1. Juli hat Deutschland für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft inne. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen, wird eine der Hauptaufgaben sein. Doch es müssen auch andere wegweisende Entscheidungen getroffen werden – vom European Green Deal bis hin zur Unternehmensbesteuerung. Wie groß dabei der Einfluss von Lobbyisten sein dürfte und wie groß er in der Vergangenheit war, haben mehrere NGOs aus Deutschland und Brüssel untersucht. Den Bericht haben Corporate Europe Observatory und LobbyControl unter dem Titel „Tainted Love“ (Verdorbene Liebe) veröffentlicht. 

Das nicht allzu überraschende Ergebnis: Lobbyisten beeinflussen die deutsche Regierung sehr stark – und damit auch Entscheidungen der EU. Vor allem in der Autobranche, der Gas- und Fischereiindustrie, der Agrarpolitik und bei Steuergesetzen nutzen Unternehmen und Industrieverbände viel Geld und Personal, um politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Allein die drei größten deutschen Autohersteller und der Verband der Deutschen Autoindustrie beschäftigen 101 Lobbyisten und haben 2018 acht Millionen Euro ausgegeben, schreibt Arne Fellermann vom BUND. Dabei ging es vor allem um den zulässigen CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte. Zwar hat die EU ihn für 2020 auf 95 Gramm pro Kilometer begrenzt, aber die Industrie hat sich Schlupflöcher erkämpft – etwa, dass die „dreckigsten fünf Prozent ihrer Autos“ nicht eingerechnet werden müssen und Elektroautos in der Gesamtbilanz doppelt zählen. 

Offensichtliche Interessenskonflikte

Den Einfluss der Gasindustrie, insbesondere auf das Bundeswirtschaftsministerium, schätzen die Autoren der Deutschen Umwelthilfe als „hochproblematisch“ ein. So sei das Wort „Methan“ in der deutschen Gasstrategie nirgendwo erwähnt, obwohl entweichendes Methan eine stärkere (aber weniger lang andauernde) Treibhauswirkung hat als CO2. In der Forschung zu Methan-Emissionen waren danach die Gasunternehmen selbst involviert – trotz des offensichtlichen Interessenskonflikts. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft stehen viele Entscheidungen zur Gas-Infrastruktur und zur Reform des Gasmarkts in der EU an; hier befürchten die Autoren einen Ansturm der Lobbyisten.

Auch bei der Besteuerung von Unternehmen haben Lobbyisten in der Vergangenheit die deutsche Regierung in ihrem Sinne beeinflusst – und Steuern vermieden, schreibt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. So stelle sich Deutschland seit Jahren gegen die Pflicht, Unternehmensprofite und -steuern nach Land getrennt auszuweisen. Das soll zu mehr Transparenz führen und Steuergerechtigkeit schaffen. Multinationalen Unternehmen, die durch diverse Schlupflöcher Steuern in Millionenhöhe vermeiden, ist das natürlich ein Dorn im Auge. In der EU ist diese Berichtspflicht immer noch nicht eingeführt. Die deutsche Ratspräsidentschaft wäre die beste Gelegenheit, die Blockadehaltung aufzugeben, fordert der Autor.  

Forderung nach deutschem Lobby-Register

Die Studie nennt noch weitere Themen, bei denen Lobbyisten die deutsche Regierung beeinflussen. Ihr größter Kritikpunkt ist, dass es noch kein deutsches Lobby-Register gibt, das erkennbar macht, was hinter den Kulissen geschieht. Nichtstaatliche Organisationen hätten weder das Geld noch die Gelegenheit, sich im gleichen Maße wie Lobby-Gruppen Gehör bei der Politik zu verschaffen. Der Bericht weist darauf hin, dass viele Vorentscheidungen zu deutschen Positionen in der EU durch den Bundestag gehen müssen und alle Abgeordneten von ihrem Recht auf Information Gebrauch machen können. Das müssten die Abgeordneten häufiger nutzen. Außerdem müsse ein deutsches Lobby-Register eingeführt werden. Dass dies während der deutschen EU-Ratspräsident geschieht, halten die Autoren allerdings für sehr unwahrscheinlich. (mek)

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