„Viel diplomatischer als Magufuli“

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Hoffnungsträgerin: Die neue Präsidentin von Tansania, Samia Suluhu Hassan, spricht Mitte März während einer Reise in die Tanga-Region.
Neue Präsidentin in Tansania
Seit Ende März regiert die ehemalige Vizepräsidentin Tansanias, Samia Suluhu Hassan, das ostafrikanische Land. Sie signalisiert eine Abkehr von der autoritären Politik ihres Vorgängers, meint die Tansania-Expertin Katharina Schilling.

Katharina Schilling ist Tansania-Referentin beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt.
Nach dem Tod des tansanischen Präsidenten John Magufuli hat die ehemalige Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan Ende März seine Nachfolge angetreten. Magufuli hatte Journalisten bedroht und die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Setzt Hassan diesen autoritären Kurs fort?
Derzeit sieht es nicht danach aus. Direkt nach ihrem Amtsantritt hat sie ihre Bereitschaft für Gespräche mit christlichen und muslimischen Vertretern, Oppositionsparteien sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen signalisiert und ihnen ein offenes Ohr für ihre Anliegen versprochen. Inwieweit sie ihr Versprechen umsetzt, muss sich zeigen. Ich bin vorsichtig optimistisch.

Hassan war fünf Jahre Vizepräsidentin unter Magufuli. Wie hat sie sich in dieser Zeit zu seinem Kurs positioniert?
Sie hat sich nie öffentlich davon distanziert oder Magufuli widersprochen. In einer ihrer ersten Reden als Präsidentin hat sie betont, dass sie die gleichen Ziele wie ihr Vorgänger verfolgt. Ein öffentlicher Bruch war aber auch nicht zu erwarten.

Warum?
Sie ist in der Regierungspartei CCM (Partei der Revolution) politisch groß geworden. Sie hat ihre Partei von der politischen Konkurrenz geschützt und wird das auch in Zukunft tun. Allerdings ist sie viel diplomatischer, als Magufuli es war, und gilt als gute Zuhörerin. Vor ihrer Parteikarriere hat Hassan unter anderem für das UN-Welternährungsprogramm WFP gearbeitet. Das könnte der Zivilgesellschaft in Tansania nun zugutekommen.

In ihren ersten eineinhalb Monaten im Amt hat Hassan mehrere Spitzenbeamte gefeuert, unter anderem den Leiter der Steuerbehörde. Zudem hat sie Korruptionsverfahren gegen verschiedene Staatsbedienstete eingeleitet. Wie groß ist dabei ihr Rückhalt in der Partei?
Vor allem Politiker, denen Magufuli zu Posten verholfen hat, sehen ihre Pfründe davonschwimmen. Aber es gibt auch Mitglieder, die aufatmen und auf eine konstruktivere Zusammenarbeit hoffen. Auch innerhalb der Partei wurden unter Magufuli kritische Stimmen zum Schweigen gebracht und abgesetzt. Nicht alle in der Partei standen hinter seinem autoritären Kurs.

Wie wurde die Berufung Hassans in der Bevölkerung aufgenommen?
Viele sind erleichtert. Unter Magufuli war es schwierig, politischen Entscheidungen zu widersprechen. Es gab kaum noch kontroverse Debatten, weil die Angst vor Repression so groß war. Zumindest im Moment stößt Hassan mit ihrer diplomatischen Art auf viel Zustimmung. Zudem ist ihre Berufung vor allem für Frauen in Tansania ein tolles Zeichen. Unsere Partnerinnen sind stolz darauf, dass jetzt eine Frau das Land regiert.

Hassan ist nicht nur die erste Frau an der Spitze Tansanias. Mit ihr regiert auch erstmals eine Muslimin das ostafrikanische Land. Wie haben die Kirchen darauf reagiert?
Sie haben ihr Unterstützung zugesagt. Hassans Ankündigung, mehr Freiheit zuzulassen, wurde sowohl von Christen als auch von Muslimen begrüßt. Unter Magufuli war der Religionsdialog schwieriger geworden. Es wäre schön, wenn sich das jetzt wieder ändert.

Bis kurz vor seinem Tod hatte Magufuli Corona verharmlost und geleugnet. Das Virus hatte er als eine Erfindung ausländischer Kräfte dargestellt und verboten, öffentlich darüber zu reden. Wie sieht die Pandemiepolitik seiner Nachfolgerin aus?
Kurz nach ihrer Vereidigung hat sie eine Expertenkommission einberufen, die eine Strategie für den Umgang mit der Pandemie entwickeln soll. Dabei geht es auch um die Beschaffung von Impfstoffen. Bisher ist Tansania nicht an der Covax-Initiative beteiligt, über die ärmere Länder mit Vakzinen versorgt werden sollen. Die Ergebnisse der Kommission stehen noch aus. Symbolisch grenzt sie sich in Sachen Corona deutlich von ihrem Vorgänger ab: So trägt sie bei offiziellen Auftritten stets eine Maske und befolgt die Hygieneregeln.

Voraussichtlich bleibt Hassan bis zu den Wahlen im Jahr 2025 im Amt. Vor welchen Herausforderungen steht ihre Regierung?
Die Bewältigung der Corona-Pandemie bleibt eine große Aufgabe. Eine weitere Herausforderung ist, das Vertrauen der Bevölkerung in Politik und Justiz wiederherzustellen. Dazu zählt auch, dass Kritik wieder öffentliche geäußert werden kann und die Opposition bei den kommenden Wahlen eine faire Chance erhält.

Das Gespräch führte Moritz Elliesen.

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