Wenig Nachfrage nach BMZ-Wirtschaftsförderung

Reformpartnerschaft
Togo ist seit Juni das siebte Reformpartnerland der Bundesregierung in Afrika. Die Zusammenarbeit soll Wirtschaftsreformen und Investitionen voranbringen. Doch die Bilanz der Reformpartnerschaften fällt am Ende der Legislaturperiode bestenfalls gemischt aus.

Togo war einschließlich des Ostens von Ghana deutsche Kolonie (1884-1916) in Westafrika. Heute dominieren französische Firmen die Wirtschaft des Agrarlandes. Mit 8,2 Millionen Einwohnern ist es ein kleiner Markt mit geringer Kaufkraft. Interessant für deutsche Unternehmen sind Straßenbau, die Phosphat- und Mangangewinnung, ein Ausbau der Strom- und Wasserversorgung sowie Maschinen zur Verarbeitung von Agrargütern. 

Entwicklungsminister Gerd Müller, der die Partnerschaft Mitte Juni in Togos Hauptstadt Lomé unterzeichnete, würdigte das Land als „Leuchtturm in der Region“. Eines der ärmsten Länder habe mutige Wirtschaftsreformen mit solider Haushaltspolitik durchgeführt und sich zu einem der Top-3-Performer bei der Verbesserung des Geschäftsklimas in Afrika entwickelt. Dabei möchte das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) die Agrarindustrie und erneuerbare Energien, die Berufsbildung und den Gesundheitssektor sowie die kommunale Verwaltung stärken.

Amnesty kritisiert Togos Umgang mit Oppositionellen  

Müller betonte, zu den Grundvoraussetzungen einer Partnerschaft zähle „die Einhaltung von demokratischen Prinzipien und Menschenrechten“. Diese hält etwa Amnesty International in Togo für kritisch. So wurden Oppositionspolitiker festgenommen und der „kriminellen Verschwörung“ sowie der „Untergrabung der inneren Staatssicherheit“ angeklagt, nachdem sie im vergangenen Jahr zu einer Demonstration gegen umstrittene Ergebnisse der Präsidentschaftswahl aufgerufen hatten.

Äthiopien, Marokko und Senegal sind seit 2019 als wirtschaftlich aufstrebende Reformpartnerländer zu den zwei Jahre zuvor besiegelten Partnerschaften mit Tunesien, Ghana und Côte d’Ivoire dazugekommen. Wegen des Krieges in der Provinz Tigray, wo eine Hungersnot droht, hat Berlin die Reformfinanzierung für Äthiopien vorläufig gestoppt. Das Verhältnis zu Marokko liegt wegen eines Streits des Partnerlandes mit der EU im Argen. Weil Brüssel Marokkos Gebietsansprüche auf die Westsahara nicht anerkennt, hat Rabat auch die diplomatischen Beziehungen zu Berlin auf Eis gelegt.

An der Partnerschaft mit Tunesien hält das BMZ fest 

Auch die Legitimität der Reformpartnerschaft mit Tunesien hatte die grüne Opposition wegen der repressiven Haltung der tunesischen Regierung gegenüber Kritikern schon vor der Entmachtung des Parlaments Ende Juli hinterfragt. Nun hat Präsident Kais Saïed die konservativ-islamisch geführte Regierung entlassen und das Parlament entmachtet. Seine Gegner sprechen von einem Putsch. Jedenfalls steht im Ursprungsland der „Arabellion“ der gesamte demokratische Kurs in Frage. Bislang hat Müller an der Partnerschaft festgehalten und betont, Demokratieentwicklung erfordere Zeit.

Wirtschaftlich bewertet das BMZ die Partnerschaften mit Blick auf Korruptionsbekämpfung, wirtschaftliche Dynamik und der Anbahnung von Investitionen als insgesamt gelungen – mit der Einschränkung, dass „die Corona-Pandemie und politische Entwicklungen wie in Äthiopien oder Marokko eine einheitliche Bewertung schwierig machen“, wie ein Sprecher einräumte. 2020 seien deutsche Investitionen in Afrika um 16 Prozent eingebrochen, in den fünf Jahren davor waren sie noch von 8,5 auf 12 Milliarden Euro gestiegen, wobei das meiste Geld nach Südafrika und vor allem nach Nordafrika – gerade Marokko und Tunesien – geflossen sei. 

Die Rolle des Entwicklungsinvestitionsfonds bleibt unklar

Die anderen Reformpartnerländer sind demnach keine wichtigen deutschen Investitionsstandorte. Ghana habe 2019 auf Rang elf gelegen. Den 2019 mit Fokus auf reformorientierte Partner vom BMZ geschaffenen Entwicklungsinvestitionsfonds (EIF) bewertete Staatssekretär Norbert Barthle bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer im Juni als erfolgreich. Der EIF werde „gut angenommen“. Vom BMZ finanziert, speist der Fonds zwei Kanäle: das Programm AfricaGrow, das über die KfW-Bankengruppe auf die Finanzierung von Mittelständlern und Start-ups in Afrika zielt, und den Dienst AfricaConnect der KfW-Tochter DEG, der Firmen zu Sonderkonditionen und unbürokratisch kleine Darlehen von 0,75 bis 4 Mio. Euro anbietet.

Der übergeordnete EIF sollte ursprünglich mit einer Milliarde Euro ausgestattet werden. Müller sprach beim Start von „einer ganz neuen Dimension“. Gemessen daran ist ein Ansturm deutscher Firmen aber nicht zu beobachten, und die eigentliche Rolle des EIF bleibt unklar. Laut BMZ wurden für Mittel aus AfricaGrow 258 Millionen Euro „bereitgestellt oder eingeplant“ – also noch nicht vergeben. Das Geld kommt aus bereits bestehenden, aufgestockten KfW-Fonds. Weitere Töpfe für Firmengründungen, die irgendwann einen Umfang von 326 Millionen Euro erreichen sollen, seien „teilweise noch im Aufbau“.

Der neue Investitionsfonds scheint überdimensioniert

Aus AfricaConnect hat die DEG seit 2019 rund 41 Millionen Euro für 15 Unternehmen in den sieben Reformpartnerländern zugesagt – davon jedoch 16 Millionen Euro Corona-bedingte „Krisen-Liquiditätsfinanzierung“, um Arbeitsplätze zu retten. Einschließlich herkömmlicher DEG-Instrumente wie dem Partnerschaftsprogramm mit der Wirtschaft develoPPP wurden laut BMZ seit 2017 in den Zielländern „Wirtschaftsprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 100 Millionen Euro verwirklicht“. 

Alles in allem scheint der EIF also überdimensioniert und gar nicht gebraucht. Zum Vergleich: Laut BMZ hat die DEG in ihrem Kerngeschäft – der Firmenfinanzierung aus Eigenmitteln, die sie am Kapitalmarkt aufnimmt – für Vorhaben in den Reformländern verteilt auf die Bereiche Energiewirtschaft, Infrastruktur, Finanzsektor, verarbeitender Industrie und Dienstleistungen bis Juni 2021 Zusagen von 300 Millionen Euro gemacht. 

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erschienen in Ausgabe 9 / 2021: Die langen Schatten der Gewalt
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