Das Erz im Land verarbeiten

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Yusuf Ahmad/REUTERS
Ein heißer Arbeitsplatz: In der Schmelze in Sorowako auf der Insel Sulawesi wird Nickel von anderen Elementen getrennt.
Indonesien
Nickel ist gefragt, weil das Metall nicht nur für Stahl gebraucht wird, sondern auch für Batterien. Indonesien hat die größten Nickelreserven der Welt – und will den Rohstoff nicht nur fördern, sondern auch verarbeiten. 

Auf der indonesischen Insel Sulawesi beginnt man 2013, in einem abgelegenen, waldreichen und ökologisch sensiblen Gebiet einen Industriepark zu errichten. Der Plan: Eisen und Stahl im eigenen Land herstellen. Indonesien exportierte damals in erster Linie Rohstoffe wie Bauxit, Gold, Palmöl und Kobalt in die USA, nach China und Europa. Die Vorstellung, das Land könnte Mineralien auch selbst aufbereiten, lag ziemlich fern. 

Heute ist der Morowali-Industriepark (IMIP) mit einer Fläche von 2000 Hektar der größte seiner Art in Indonesien. Immer weiter dehnt sich das Gelände aus. Es umfasst Arbeiterwohnungen, Kalk-, Koks- und Säureanlagen, einen Flug- und einen Seehafen sowie elf Schmelzöfen. Der Wert der Anlage beläuft sich inzwischen auf über sieben Milliarden US-Dollar. Anders als im Jahr 2013 geht es heute aber nicht mehr um Stahl und Eisen, sondern um ein Mineral, nach dem die Nachfrage aufgrund des weltweiten Marktes für Elektrofahrzeuge und Batterien rapide ansteigt: Nickel.

Der Großteil der Investitionen in den Industriepark kommt aus China. Im Rahmen der „Neuen Seidenstraßen“, also der Pläne Pekings, sich neue Land- sowie Seewege Richtung Westen zu schaffen (siehe „welt-sichten“ 4/2016), sind mehrere chinesische Unternehmen an der Anlage beteiligt: vor allem die Tsingshan Holding Group, aber auch andere wie die Zhejiang Huayou Cobalt Company Limited und China Molybdenum Company Limited. Finanzielle Unterstützung kommt von einigen der größten chinesischen Banken, darunter der Export-Import Bank of China sowie der China Development Bank, die derzeit größte Kreditgeberin des Industrieparks. 

Die Abhängigkeit von der Rohstoffausfuhr verringern

„Indonesiens politische Eliten wollen mit derlei Industrieparks nicht nur weitere Investitionen anziehen. Sie wollen damit auch die Entwicklung von Technologie und Know-how voranbringen und hoffen, die Abhängigkeit ihres Landes von der Rohstoffausfuhr zu verringern“, erklärt Alvin Camba von der Johns Hopkins University in den Vereinigten Staaten. Der Soziologe befasst sich mit den Auswirkungen chinesischer Kapitalströme im maritimen Südostasien. 

Zwar hat der Morowali-Industriepark Indonesien zu einem wichtigen Player in der aufstrebenden umweltfreundlichen Energieerzeugung gemacht. Doch Probleme mit Umweltschutz und Arbeitsbedingungen schaden dem Image des Landes sowohl im Inland als auch weltweit. Darüber hinaus führt die Präsenz Chinas ebenso wie der Einsatz chinesischer Arbeiter mehr und mehr zu Spannungen zwischen Indonesien, dem größten Land Südostasiens, und seinem wichtigsten Handelspartner China. Nun bemüht sich Indonesien verstärkt um amerikanische, europäische und koreanische Investitionen, um seinen aufblühenden Sektor für saubere Energie auf breitere Füße zu stellen und weiter auszubauen.

In der Wirtschaft Indonesiens, das 1949 seine Unabhängigkeit von den Niederlanden errungen hat, spielt der Bergbau seit langem eine zentrale Rolle. Ein amerikanisches Unternehmen – Freeport McMoRan – betreibt auf der Insel Papua seit Jahrzehnten Bergbau in gigantischem Ausmaß. Die Beziehung zwischen dem Unternehmen und der indonesischen Regierung, die fest mit den Steuereinnahmen aus dem Bergwerk kalkuliert, war und ist sehr ertragreich. Die riesige Grasberg-Mine von Freeport, eine Tagebaugrube, war lange Zeit weltweit einer der Hauptproduzenten von Gold und Kupfer. Sie hat auch zur massiven Zerstörung der Umwelt im Hochland von Papua geführt.

Verbot der Ausfuhr unverarbeiteter Rohstoffe

Der 2014 ins Amt gewählte indonesische Präsident Joko „Jokowi“ Widodo hat sich damals auf die Fahnen geschrieben, die Attraktivität seines Landes für ausländische Investitionen weiter zu steigern. Vor allem die äußeren Inseln des Archipels – einschließlich Sulawesi – wollte er auf diese Art weiterentwickeln. Das sollte Indonesien aus der Abhängigkeit als Lieferant von Rohstoffen – Mineralien, aber auch Palmöl und Kohle – lösen und in die Lage versetzen, Produkte mit höherer Wertschöpfung herzustellen.

Vor 2014 hat Indonesien die von ihm gewonnenen Rohstoffe größtenteils nicht weiterverarbeitet. So wurde der Großteil des Palmöls im Ausland raffiniert, Gold und Nickel überwiegend in ausländischen Schmelzhütten verarbeitet. Präsident Jokowi will das ändern: 2020 hat er die Ausfuhr von Nickel verboten, dieses Jahr auch die von anderen Mineralien, darunter Bauxit und Zinn. „Indonesiens politische Eliten versuchen, die industriellen Kapazitäten zu erhöhen, indem sie der Ausfuhr unverarbeiteter Rohstoffe – insbesondere von Rohnickel – ins Ausland entgegenwirken“, so Camba. 

Gute Geschäftsaussichten? Nilus Rahmat (links), der Vize-Geschäftsführer eines Bergbau­unternehmens in Südost-Sulawesi, und ein Investor prüfen in einer Anlage auf der Insel die Qualität des Eisen-Nickel-Erzes.

Nickel ist aus vielen Gründen besonders wichtig. Bis vor kurzem noch wurde es in erster Linie für die Stahlproduktion verwendet, doch in Zukunft dürfte seine Verwendung in Batterien die Nachfrage kräftig anziehen lassen. Indonesien ist bestens gerüstet, von dieser Nachfrage zu profitieren – es ist bereits der größte Nickelproduzent der Welt und das Land mit den größten Nickelreserven. 

Die Nickelproduktion wächst, die Preise steigen weltweit

Nach Ansicht von Isabelle Huber vom Center for Strategic and International Studies in Washington, D.C., weist die indonesische Strategie gemischte Ergebnisse auf. „Das Exportverbot hat kurzfristig zu einem Verlust an Exporterlösen, Arbeitsplätzen und Staatseinnahmen geführt“, schreibt Huber. Langfristig aber zeichneten sich durchaus Vorteile für das Land ab. „Das Kalkül ist aufgegangen, so Investitionen in die Nickelverarbeitung anzuziehen. Zwischen 2021 und 2025 wird etwa die Hälfte des weltweiten Wachstums der Nickelproduktion auf Indonesien entfallen.“

Autor

Nithin Coca

ist freier Journalist in Südostasien und berichtet vor allem zu Umwelt- und Entwicklungsfragen.
In der Tat zeigen die jüngsten Daten bemerkenswerte Fortschritte – ein 30-prozentiges Wachstum der Nickelminenproduktion allein im letzten Jahr. Berücksichtigt man die weltweit steigenden Preise, dann verspricht das IMIP zumindest in finanzieller Hinsicht durchaus Erfolg. 

Millionen Hektar Wald sind verloren gegangen

Weniger gut sind die Perspektiven für die Umwelt Indonesiens. Dem Land mit den drittmeisten tropischen Landschaften weltweit sind seit der Jahrtausendwende Millionen Hektar Wald verloren gegangen. Der Hauptgrund dafür ist die Ausweitung der Agrarindustrie – vor allem zur Gewinnung von Palmöl und Zellulose. Aber auch die Industrie, einschließlich Kohle und Bergbau, spielt eine wichtige Rolle.

Auf Sulawesi nimmt die Abholzung rasant zu. Tempo, ein indonesisches Nachrichtenmagazin, hat festgestellt, dass IMIP direkt für den Verlust von Wäldern in und um den Projektstandort oder die damit verbundenen Nickelabbaustätten verantwortlich ist. Die Region, wo IMIP liegt, grenzt auch an verwundbare Meereslebensräume. Nach Angaben der gemeinnützigen Organisation Earthworks „liegen die Gewässer von Morowali innerhalb des artenreichen Korallendreiecks, der Heimat besonders vieler Korallenriffe, die zu den am stärksten gefährdeten der Welt gehören“.

Der Industriepark Morowali in ­Zentral-Sulawesi ist wirtschaftlich ein Erfolg, trägt aber zu Abholzung und Verschmutzung auf der Insel bei.

Indonesische Umweltschützer waren zu Recht über die ursprünglichen Pläne zur Abfallentsorgung bei IMIP besorgt. Denn die hatten vorgesehen, 25 Millionen Tonnen Abraum in die Ozeane zu kippen – also Schlamm, der nach dem Abbau von Mineralen aus dem Erz zurückbleibt und der unter anderem zerkleinertes Gestein und Chemikalien enthält. Er kann giftig sein, wenn er mit Luft oder Wasser in Berührung kommt, und könnte das Meeresleben in diesem ökologisch sensiblen Gebiet schwer schädigen.

Nach erheblichem öffentlichem Druck hat das chinesische Nickelunternehmen Tsingshan angekündigt, die Abfälle nicht mehr in die Tiefsee zu entsorgen. Allerdings merken einige Forscher an, dass „die Entwickler noch keinen alternativen Plan für die Abraumbeseitigung vorgelegt haben“ und dass eine solche Entsorgung nach indonesischem Recht nach wie vor legal ist.

Der Industriepark verbraucht enorme Mengen an Kohle

Ein weiteres Problem ist die Nachhaltigkeit des Industrieparks selbst. Dessen Hauptziel besteht darin, Technologien für Elektrofahrzeuge zu entwickeln, die wiederum die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen verringern würden. Doch IMIP selbst ist auf fossile Brennstoffe angewiesen, um seine Schmelzöfen und Fabriken zu betreiben. Insgesamt beträgt die Leistung unglaubliche 1,26 Gigawatt, für die jährlich etwa 6 Millionen Tonnen Kohle aus heimischer Produktion verbraucht werden.

China und Indonesien haben ehrgeizige Zusagen zu Kohlenstoffemissionen und zum Ausstieg aus der Kohle gemacht. „Diese Industrieparks widersprechen deren Logik“, betont Aiqun Yu, China-Forscher bei Global Energy Monitor, einer in den USA ansässigen gemeinnützigen Umweltorganisation. Yu bezieht sich dabei auf die Zusicherung des chinesischen Premierministers Xi Jinping, die Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland einzustellen, sowie auf Indonesiens eigene Selbstverpflichtung zum Kohleausstieg. Es scheint jedoch ein Schlupfloch zu geben: für die Nutzung von Kohle in Industrieparks. „Da die Industrieparks nach wie vor mit Kohle arbeiten, ist eine genaue Beobachtung ihrer Entwicklung unerlässlich“, fügte Yu hinzu.

Arbeiterrechte missachtet

Auch arbeitsrechtliche Bedenken gibt es. Da es im Umland nicht genügend einheimische Arbeitskräfte gibt, ist IMIP auf Wanderarbeiter angewiesen. Viele von ihnen kommen aus anderen Teilen Indonesiens, einige auch aus China. Anschuldigungen in Bezug auf schlechte Arbeitsbedingungen, Sicherheitsverstöße und niedrige Löhne haben dazu geführt, dass globale Gewerkschaften das Projekt wegen Missachtung von Arbeiterrechten anprangern. „Der Gesundheits- und Arbeitsschutz im IMIP ist mangelhaft, und die Situation muss sich ändern. Dass Arbeitsamt und die Arbeitgeber müssen in einen sozialen Dialog eintreten, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern“, so Iwan Kusmawan, Vorsitzender des indonesischen Zweigs des weltweiten Gewerkschafts-Dachverbands IndustriALL, in einer Presseerklärung.

Nach Angaben des nationalen indonesischen Industriegewerkschaftsverbands (SPN) und des Bergbau- und Energieverbands (FPE-SBSI) gibt es im IMIP Jahr für Jahr im Durchschnitt 1800 Unfälle und fünf Todesfälle. Die Organisationen weisen auch auf die unzureichenden Wohn- und Sanitärbedingungen für die auf dem Gelände lebenden Arbeiter hin.

Große Aufmerksamkeit erregt in den indonesischen Medien die Beschäftigung chinesischer Wanderarbeiter im IMIP. Dass chinesische Arbeitskräfte anstelle einheimischer eingesetzt werden, ist bei Projekten der „Neuen Seidenstraßen“ in Asien ein Hauptproblem. Indonesien hat strenge Vorschriften für den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte. Die geschätzt 5000 chinesischen Arbeiter von insgesamt etwa 40.000 im IMIP sind ein hoher Anteil und eine ständige Quelle von Spannungen.

Chancen, aber auch Risiken

Im Augenblick scheinen Indonesiens Bemühungen um den Aufbau einer inländischen Wertschöpfungskette für Nickelverarbeitung vielversprechend. Es ist eine riesige Chance – die Internationale Energieagentur IEA geht davon aus, dass die Nachfrage nach Nickel nur für kohlenstoffarme Energie und Speicherung bis 2040 von 196 Kilotonnen auf fast 4000 Kilotonnen steigen wird. Falls Indonesien aber versäumt, Umwelt-, Arbeits- und Sozialbelange zu berücksichtigen, besteht auch ein hohes Risiko.

Investoren, insbesondere aus Europa und den Vereinigten Staaten, führen zunehmend Richtlinien für die nachhaltige Beschaffung von Komponenten für Elektrofahrzeuge ein. Umwelt- und arbeitsrechtliche Bedenken zu IMIP könnten dessen Fähigkeit einschränken, neue Märkte zu erschließen. Sie könnten den Zugang zu Finanzmitteln von japanischen, koreanischen, amerikanischen und europäischen Unternehmen wie Tesla und LG erschweren, die ihre Elektrofahrzeug- und Batterieindustrie ausbauen wollen. Die Aufregung um den Abraumplan von IMIP könnte ein Fingerzeig sein, dass Indonesien beweisen muss, dass es die immer wichtiger werdenden Nachhaltigkeitskriterien erfüllen kann.

„Um den Bedürfnissen der Elektrofahrzeug-Unternehmen und ihrer umweltbewussten Verbraucher gerecht zu werden, muss die Regierung für den Abbau und die Verarbeitung von Nickel für Elektrofahrzeug-Batterien weitere Umweltstandards festlegen“, schreibt Huber. Andernfalls könnte sich Indonesien in einer Situation wiederfinden, die es sich nicht wünscht: noch stärker von China abhängig zu sein in einer Zeit, in der die chinesischen Auslandsinvestitionen zurückgefahren werden.

Aus dem Englischen von Anja Ruf.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2022: Das Zeug für den grünen Aufbruch
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