Druck auf Nicaraguas katholische Kirche

AFP via Getty Images/STR
Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa und Estelí, ist der prominenteste Kritiker von Präsident Daniel Ortega.
Kirche und Ökumene
In Nicaragua verschärft sich der Konflikt zwischen der Regierung und der katholischen Kirche. Beobachter sprechen mittlerweile von „religiöser Verfolgung“. Der Papst hält sich allerdings mit öffentlichen Äußerungen zurück.

Die Beziehungen zwischen Regierung und Kirche in dem mittelamerikanischen Land gelten seit längerem als angespannt. Als 2018 Präsident Daniel Ortega die landesweiten Proteste gegen seine Politik mit Gewalt niederschlagen und reihenweise Regierungskritiker festnehmen ließ, öffneten viele Priester und Bischöfe die Türen ihrer Kirchen, boten Demonstranten Schutz und versorgten die Verletzten. Die Kirche mahnte einen Dialog zwischen Demonstranten und Regierung an und stellte sich als Mediatorin zur Verfügung. Aus dem Dialog wurde nichts, weil Ortega dem Klerus die Neutralität absprach. Seither haben Kirchenvertreter nicht aufgehört, die sandinistische Regierung für ihr autokratisches Vorgehen zu kritisieren.

Offenbar hat die Regierung beschlossen, dass damit nun endgültig Schluss sein soll. Anfang August schlossen die Behörden neun katholische Radio- und drei katholische Fernsehsender. Bereits im März war der päpstliche Nuntius zur unerwünschten Person erklärt und ausgewiesen worden. Und Anfang Juli waren 16 Schwestern des Mutter-Teresa-Ordens, der seit mehr als drei Jahrzehnten Gemeinde- und Sozialarbeit in Nicaragua leistet, ausgewiesen worden. Zahlreiche Priester waren seit Jahresbeginn verhaftet worden. Rosario Murillo, Vizepräsidentin und Ehefrau von Daniel Ortega, warf ihnen „Hassverbrechen gegen die Bevölkerung“ vor.

An den prominentesten unter den katholischen Regierungskritikern, Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa und Estelí, hatte sich das Regime bisher nicht herangetraut. Álvarez koordiniert die katholische Medienarbeit und ist sehr in den sozialen Medien präsent. Mitte August verhaftete die Polizei ihn zusammen mit vier Priestern, zwei Seminaristen und einem Laien. Gleichzeitig wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Álvarez eingeleitet. Der Vorwurf lautet, er habe Hass geschürt und gewalttätige Gruppen organisiert, die bei den Unruhen 2018 die Bevölkerung angegriffen hätten. In den Reihen der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN wird mittlerweile öffentlich behauptet, Álvarez und weitere Priester hätten damals den gescheiterten Putsch angeführt.

Der Kirche geht es nicht viel anders als anderen Kritikern

International wurde das Vorgehen der Regierung Ortega teilweise scharf kritisiert. Die Europäische Union verurteilte die Schließung der Sender als willkürlichen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), aus der Nicaragua im April dieses Jahres ausgetreten ist, spricht angesichts der Angriffe auf die katholische Kirche von „religiöser Verfolgung“.

Doch handelt es sich tatsächlich um religiöse Verfolgung? Letztendlich geht es der katholischen Kirche nicht viel anders als vielen anderen Regierungskritikern zuvor, welche die sandinistische Regierung seit Ende 2018 hat verhaften lassen. Mehr als 1200 nichtstaatlichen Organisationen wurden die rechtlichen Grundlagen für die Fortsetzung ihrer Arbeit entzogen.

Ende Mai veröffentlichte die nicaraguanische Rechtsanwältin Martha Patricia Molina eine Untersuchung, in der mehr als 250 Übergriffe auf die katholische Kirche in Nicaragua seit 2018 geschildert werden, neben Prügel für Priester auch die Entweihung von Kirchen und die Behinderung des Gottesdienstes durch Brandstiftungen und Belagerungen. Am 14. August wurde außerdem eine Marienprozession verboten.

Ende August forderten 26 ehemalige Staats- und Regierungschefs spanischsprachiger Länder unter Federführung des Friedensnobelpreisträgers Óscar Arias aus Costa Rica in einem offenen Brief den Heiligen Stuhl auf, sich energischer gegen die Verfolgung der Kirche durch das Regime Ortega- Murillo einzusetzen. Sie warnen davor, dass dem „Abbrennen von Kirchen und der grausamen Zerstörung von katholischen Heiligenbildern die Zerstörung der sozialen und anthropologischen Grundlagen folgt, die an die Verbrennung jüdischer, sozialistischer und pazifistischer Bücher durch das nationalsozialistische Regime im Jahr 1933 erinnert“.

Das lange Schweigen Franziskus zu den Vorgängen in Nicaragua hat viele Beobachter verwundert. Lediglich in einem Mittagsgebet auf dem Petersplatz hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche Ende August seine Sorge um die Situation in dem mittelamerikanischen Land geäußert und zu Dialog aufgerufen, ohne allerdings näher auf die Verhaftung von Bischof Álvarez einzugehen. Vermutet wird, dass sich der Vatikan mit seiner Zurückhaltung die Türen offenhalten möchte, mit einer Abberufung nach Rom der Verurteilung von Bischof Álvarez zuvorzukommen. So hatte es der Vatikan bereits im April 2019 mit Weihbischof Silvio Báez gemacht, der ebenfalls zu den Wortführern unter den Kritikern in Nicaragua gehörte.

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