Gern gesehener Geldeintreiber

Deodatus Mfugale
Raphael Sweetbert Malola engagiert sich als ehrenamtlicher Spendensammler in seinem Dorf.
Was tut sich in… Tansania?
Wo es an staatlicher Unterstützung für soziale Aufgaben fehlt, bekommen ehrenamtliche Spendensammler wie Raphael Sweetbert Malola große Bedeutung. Unsere neue Folge der Rubrik "Was tut sich in...".

Wenn die Gemeinde Mbogo am Rand der Stadt Morogoro im Osten von Tansania einen Toten zu beklagen hat, spricht sich das normalerweise innerhalb weniger Stunden in der Nachbarschaft herum. Oft verbringt dann Raphael Sweetbert Malola am folgenden Tag viele Stunden damit, unter den rund 200 Familien der Gemeinde von Haus zu Haus zu ziehen und die Menschen um einen Obulus für die Beerdigung zu bitten. Seitdem der 35-Jährige vor drei Jahren von den Anwohnern zum ehrenamtlichen Mitglied der örtlichen Nachbarschaftsregierung gewählt wurde, sammelt er regelmäßig freiwillige finanzielle Beiträge für Angelegenheiten, die für das soziale Leben in der Gemeinde wichtig sind. 

Die Nachbarschaftsregierung ist im städtischen Raum die niedrigste Regierungsebene, vergleichbar einem Dorfbeirat auf dem Land. „Einer muss ja der Familie helfen, und ich habe mich schon immer zum Helfen berufen gefühlt“, sagt Malola. Man könne von den Hinterbliebenen schließlich nicht erwarten, dass sie alle Mitglieder der Gemeinde informierten, sondern vor allem die nahen Verwandten. „Ich bin christlich erzogen, deshalb ist es für mich selbstverständlich, ehrenamtlich für unsere Gemeinschaft zu wirken.“ 

150 Stühle für Versammlungen angeschafft

Der selbstständige Elektriker lebt seit 2015 in Mbogo, aber ehrenamtlich ist er in der Gemeinde erst seit seiner Wahl in die örtliche Regierung aktiv. „Wenn ich früher jemandem meine Hilfe angeboten habe oder für einen guten Zweck sammeln wollte, haben sich die Leute gefragt, was ich für einer bin. Seit ich ehrenamtliches Mitglied der örtlichen Regierung bin, ist die Sache klar.“ Kürzlich hat die Gemeinde mit Hilfe der Spenden, die Malola drei Monate lang gesammelt hat, 150 Stühle angeschafft, auf denen die Bewohner nun bei öffentlichen Versammlungen sitzen können – bis dahin mussten alle stehen. Für die Laborausrüstung der örtlichen Schule hat Malola sogar eineinhalb Jahre lang mit Erfolg Beiträge eingeworben. 

Die meisten Mitglieder der Gemeinde Mbogo sind allerdings nicht Schüler oder junge Eltern, sondern alte Menschen, deren erwachsene Kinder mit ihren Familien zum Arbeiten in andere Städte gezogen sind – wie fast überall auf dem Land in Tansania. Einige dieser Alten beziehen eine Rente, die meisten halten Hühner oder anderes Kleinvieh, betreiben etwas Handel und bekommen auch regelmäßig Geld von ihren Kindern. Jüngere Leute wie Malola, die neben ihrer Arbeit Zeit für ehrenamtliches Engagement finden, gibt es wenig. 

„Die meisten jagen nur dem Geld hinterher“, erklärt Malola, der im Juli 2022 auch zum Vorsitzenden der katholischen Kirchengemeinde in der Region gewählt wurde. Kurz nachdem er dieses Amt antrat, belebte er den Sozialfonds der Gemeinde wieder, den es vor vielen Jahren schon einmal gegeben hatte und in den jetzt wieder jede katholische Familie monatlich 20.000 Tansania-Schillinge (umgerechnet circa acht Euro) einzahlt. Er soll beispielsweise armen Gemeindemitgliedern helfen, wichtige Medikamente zu bezahlen, Waisenkinder unterstützen oder eben Geld für Beerdigungen sammeln, die die Hinterbliebenen sonst nicht bezahlen könnten. „Aber es ist nicht immer leicht, die Leute wiederholt um Geld für einen guten Zweck zu bitten. Viele reagieren abweisend, selbst wenn sie genug Geld haben.“ Die meisten Leute in Mbogo schätzen seine Arbeit sehr, betont Malola, und sind dankbar, dass er neben seiner Arbeit als Elektriker die Zeit findet, regelmäßig von Haus zu Haus zu gehen und mit seinen Sammlungen das soziale Miteinander im Ort zu unterstützen.

Aus dem Englischen von Barbara Erbe.
 

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Ich bin vor kurzem auf eine interessante Theorie bezüglich der psychologischen Ursachen fragiler Staaten (für Tansania gilt derzeit im "fragile States Index" eine erhöhte Warnung) gestoßen: Franz Jedlicka weist in "Das afrikanische Trauma" darauf hin, dass Länder wohl nicht nachhaltig stabil werden können, so lange bereits die Gewalt gegen Kinder gesellschaftlich akzeptiert ist (sie ist in Tansania nicht verboten). Fand ich interessant!

MfG F. Rollett

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