Europas Ratlosigkeit

In der Europäischen Union (EU) herrscht Uneinigkeit darüber, ob und in welcher Form sich Europa militärisch im Osten Kongos engagieren soll. Frankreich und Belgien sprachen sich für einen EU-Einsatz aus, andere Länder sind skeptisch. Und Truppen bereitstellen will niemand wirklich.

Die französische Regierung forderte Ende Oktober den Einsatz von EU-Eingreiftruppen zur Absicherung humanitärer Hilfe in der Provinz Nord-Kivu – parallel und „in Ergänzung“ zur UN-Militärmission MONUC, die dazu offenkundig nicht in der Lage sei. Der französische Vorschlag fand jedoch nur in Belgien volle, in den Niederlanden und Schweden bedingte Unterstützug; London und Berlin sprachen sich entschieden dagegen aus.

Unterdessen arbeitete der EU-Militärstab intensiv an allen möglichen Einsatz-Varianten – vom aktiven Kampfeinsatz der zwei EU-Eingreifgruppen über Geleitschutz für humanitäre Lieferungen bis zur „systemisch integrierten“ Teilnahme an MONUC. Nach der Vorlage des französischen Außenministers Bernard Kouchner hatte Javier Solana, der EU-Beauftragte für Sicherheit, erklärt, es würden „alle Optionen in Betracht gezogen“, zog sich aber nach den ersten Ministertreffen dazu auf die vorsichtige Formel zurück, dass zunächst einmal die MONUC gestärkt werden müsse.

Für Kouchner war die vom UN-Sicherheitsrat Ende November beschlossene Aufstockung von MONUC „das allermindeste“, das zu tun sei. Für seinen britischen Kollegen David Miliband hingegen ist es das derzeit maximal Erreichbare – erst danach, so Milibands Afrika-Staatssekretär Mark Malloch-Brown, könne die Entsendung von Truppen der Afrikanischen Union und in letzter Instanz auch der EU erwogen werden. Der UN-Beschluss lässt allerdings offen, wer die zusätzlichen 3085 Soldaten bereitstellen soll. Die Mehrheit der EU-Regierungen machte klar, dass dazu jedenfalls nicht eine der EU-Eingreifgruppen eingesetzt werden könne. Deutschland, Großbritannien und Belgien kommen als Truppensteller aus unterschiedlichen Gründen nicht in Frage, und ein rein französisches Kontingent wäre angesichts der angespannten Beziehungen zu Ruanda mit der gebotenen UN-Neutralität unvereinbar. Ob die Niederlande und Schweden, die Kouchners Vorstoß für ein militärisches Engagement im Kongo zumindest bedingt begrüßt hatten, nun auch tatsächlich einen MONUC-Beitrag anbieten, ist nicht klar.

Bruchstellen gibt es auch im EU-Parlament: Die Fraktion der Vereinigten Linken reichte Mitte November einen Entschließungsantrag ein, in dem sie sich „gegen jede neue Militärintervention der EU und gegen mehr ihrer Truppen unter dem MONUC-Kommando“ ausspricht, während die Fraktion der Europäischen Sozialisten am selben Tag Ministerrat und Parlament dazu aufrief, „einen Beschluss zur Entsendung europäischer Truppen in den Osten der DR Kongo zu fassen, abhängig von der Situation vor Ort und den Möglichkeiten der EU, die Lage zu verbessern“.                

Heimo Claasen

erschienen in Ausgabe 12 / 2008: Wirkung der Entwicklungshilfe
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