Goma im Griff der Rebellen

Eine Frau mit Bündel geht an ausgebrannten Autos vorbei.
epd-bild/Jospin Mwisha
Ausgebrannte Fahrzeuge in Goma Ende Januar 2025, wenige Tage nachdem die M23 die Millionenstadt eingenommen hat.
Demokratische Republik Kongo
Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo hat sich mit der Rebellenmiliz M23 auf eine Kampfpause geeinigt und führt Friedensgespräche mit Ruanda, das die M23 unterstützt. In der ostkongolesischen Stadt Goma, die die M23 erobert hat, herrschen jedoch Angst und Not.

Alles ist weg. Die Zelte, der Wassertank der Hilfsorganisation, die Stände, an denen Frauen Mehl verkauft haben. Nur die Schule steht noch. Dort sitzt Florence Mwema mit anderen Geflüchteten und erzählt, wie es war, als die Miliz M23 das Lager zehn Kilometer vor der Millionenstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo geräumt hat. „Sie haben uns verscheucht. Dabei habe ich alles verloren“, klagt die 30-jährige Mutter von vier Kindern.

Mwema heißt anders. Sie muss anonym bleiben, wie alle Augenzeugen. Denn in Goma geht die Angst vor den Rebellen um. Die M23 hat die Provinzhauptstädte Goma und Bukavu vor gut zwei Monaten mit Hilfe von Soldaten aus dem Nachbarland Ruanda eingenommen. Sie hat eigene Regierungen installiert und erklärt, mit verbündeten Milizen die Staatsführung unter Präsident Félix Tshisekedi in der Hauptstadt Kinshasa stürzen zu wollen.

Die M23 verspricht Frieden und Sicherheit. Doch zunächst hat sie eine Million Flüchtlinge rund um Goma vertrieben. Nach dem Willen der Rebellen sollen sie zurück in ihre Dörfer. Es sei dort jetzt sicher, behaupten sie. „Wo ich herkomme, wird aber noch gekämpft“, sagt Mwema. „Außerdem ist mein Haus zerstört, und ich habe kein Geld für die Rückreise.“ Männer hätten ihr gesamtes Hab und Gut gestohlen, als sie das Lager verlassen mussten.

Hilfe von der Sparkooperative

Sie hatte sich im Camp einen Stand eingerichtet, wo sie Mehl und Benzin verkaufte. Den Kredit dafür bekam sie von einer Sparkooperative der Baptistenkirche. Dank des kleinen Geschäfts konnte Mwema ihre Kinder zur Schule schicken. Doch nun kann sie ihren Kredit nicht zurückzahlen und muss außerdem Miete zahlen, da sie nicht mehr im Lager leben kann.

Mwema trifft sich mit den anderen Mitgliedern der Spargenossenschaft. Alle haben bis vor kurzem im Flüchtlingslager gelebt. Genossenschafter, die noch Geld haben, werfen ein paar kleine Scheine in eine Plastikschüssel. Mitglieder wie Mwema, denen alles gestohlen wurde, bekommen etwas davon, damit sie wieder kleine Geschäfte aufbauen können.

Die Wirtschaft liegt am Boden, seit die M23 die Macht übernommen hat. „Wie soll man Essen kaufen, wenn es kein Bargeld gibt“, schimpft Furaha Kawira, eine Büroangestellte in Goma. Seit den blutigen Kämpfen um die Stadt sind die Banken geschlossen. Die einzige Möglichkeit, in der Nähe an Geld zu kommen, ist, in der ruandischen Nachbarstadt Gisenyi an den Geldautomaten zu gehen – vorausgesetzt, man hat eine Kreditkarte. Aber erstens kostet das teure Auslandsgebühren und zweitens besitzen die meisten Kongolesinnen und Kongolesen keine Kreditkarte.

Regieren kann die M23 bisher nicht

Die Fahrt ins 350 Kilometer nördlich gelegene, von der Regierung kontrollierte Beni über die Nachbarländer Ruanda und Uganda ist für die meisten zu teuer. Doch die direkte Route führt durch die Front zwischen der Armee und der M23. Außerdem sind in dem Gebiet mehr als 100 weitere Milizen aktiv. Man muss damit rechnen, mindestens ausgeraubt zu werden.

Onesphore Sematumba, Analyst beim Thinktank Crisis Group in Nairobi, weiß von vielen Firmen in Goma und Bukavu, deren Geschäft eingebrochen ist. Es würden massenhaft Leute entlassen, sagt er. „Eltern bezahlen jetzt die Schulgebühren mit Fernsehgeräten, Tischen und Stühlen, weil sie kein Geld haben.“

Zwar hat die M23 in Goma und Bukavu eine eigene Bank eingerichtet. Doch diese ist nicht an das internationale Finanzsystem angeschlossen. Außerdem vertraut die Bevölkerung den Rebellen nicht. „Kaum jemand wird dort Geld einbezahlen“, ist Sematumba überzeugt. Insgesamt zweifelt er die Fähigkeit der Rebellen an, ihre besetzten Gebiete zu regieren. „Bis jetzt können sie weder Nahrungssicherheit noch physische noch finanzielle Sicherheit garantieren.“

Straßen säubern und zwangsrekrutieren

Sifa Bagheni war der M23 anfangs freundlich gesonnen. „Goma war noch nie so sauber wie jetzt“, sagte sie. Die Bevölkerung ist seit der Machtübernahme verpflichtet, jeden Samstagmorgen vor der Haustür zu kehren. Auch die korrupten Polizisten, die mit Gewalt von den Verkehrsteilnehmern Geld erpresst haben, sind verschwunden. Bagheni glaubte, die M23 würde die ständigen Kriege und die Willkür der Machthaber in Kinshasa beenden. Aber jetzt will sie ins Ausland flüchten.

„Sie bringen junge Männer ins Stadion und zwingen sie, in ihre Miliz einzutreten“, erzählt Bagheni, die um ihren Sohn bangt. „Manchmal verprügeln sie die Jungen mit Stöcken.“ Außerdem töteten die Rebellen jeden, den sie für einen Gegner oder für einen Banditen hielten. „Sie schießen, ohne zu fragen.“ Goma schlafe auch nicht mehr. Denn in jeder Nacht gebe es Überfälle und Morde.

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