Die USA haben zusätzlich zum neuen Basiszoll von 10 Prozent im April hohe Ausgleichszölle für viele Entwicklungsländer verkündet, 32 Prozent für Indonesien, und sie dann ausgesetzt. Wie werden sich all die Zölle ökonomisch auswirken?
Sie wirken sich schon jetzt aus, und zwar zum einen über die globalen Finanzmärkte: Die indonesische Währung hat gegenüber dem US-Dollar deutlich an Wert verloren. Und weil der US-Dollar global gesehen selbst abgewertet hat, ist die Abwertung der indonesischen Währung etwa gegenüber dem Euro noch stärker. Zudem verzeichnen wir eine Kapitalflucht in Höhe von 4,5 Billionen Rupien, umgerechnet rund 236 Milliarden Euro.
Wohin geht dieses Kapital?
Nach Singapur, in die EU und auch in die USA. Darüber hinaus fürchten wir, dass Indonesien als Folge der Zollankündigungen Direktinvestitionen aus dem Ausland verlieren wird. Die südkoreanische Firma LG, die mit unserer Regierung eine große Investition in die Produktion von Elektroautos in Indonesien vereinbart hatte, hat sich vergangene Woche daraus zurückgezogen.
Sie fürchtet, die Autos nicht mehr profitabel exportieren zu können?
Ja. Das Unternehmen wollte in Indonesien keine kompletten Autos herstellen, sondern Batterien dafür; in Indonesien wird ja der dafür nötige Nickel abgebaut. Die Batterien sollten dann Teil südkoreanischer Autos sein, darunter solcher für den US-Markt. Wir haben außerdem erwartet, dass die Zölle den Umfang der Exporte Indonesiens verringern. Das stellen wir bisher nicht fest, weil die USA die Ausgleichszölle für 90 Tage ausgesetzt haben. Die Regierung in Jakarta hat aber den Herstellern von Exportprodukten, etwa Textilien und Kleinelektronik, schon einen Steuernachlass eingeräumt, um den Schaden abzufedern, sobald die Zölle in Kraft treten.
Obwohl die Zölle noch nicht in Kraft sind, sind Schäden schon eingetreten – nicht bei Exporten, aber bei Finanzflüssen und Investitionen?
Genau. Da unsere Finanzmärkte offen sind, können wir dem nicht entgegenwirken, und auf die Investitionsentscheidungen von Firmen wie LG haben wir auch keinen Einfluss.
Ein großer Teil der Exporte Indonesiens sind Rohstoffe oder Agrarprodukte wie Palmöl; Vietnam oder Malaysia führen mehr Elektronik oder Solarpaneele aus. Werden die Ausgleichszölle, wenn sie in Kraft treten, die Länder Südostasiens also sehr unterschiedlich treffen?
Ja. Allerdings exportiert Indonesien zwar insgesamt viele Rohstoffe wie Nickel, aber kaum in die USA. Dorthin verkaufen wir mehr Textilprodukte, Schuhe sowie kleinere Elektronikgeräte, die eine Firma aus Singapur in Indonesien fertigt. Die Herstellung solcher Produkte schafft in Indonesien Hunderttausende Arbeitsplätze. Und obwohl für Indonesien, anders als etwa für Vietnam und Malaysia, der gesamte Export nur ungefähr 14 Prozent des Sozialprodukts ausmacht – gut 2 Prozent der Export in die USA –, verdienen wir damit einen Handelsüberschuss von 2024 etwa 15 Milliarden Euro. Das ist für Indonesien viel Geld und trägt erheblich dazu bei, dass das Land Währungsreserven anlegen kann. Weniger getroffen wird Singapur, weil es vor allem ein Finanz-, Logistik- und Handelszentrum ist; Zölle auf Warenexporte treffen sie vor allem indirekt, wenn als Folge das Handelsvolumen abnimmt.
Hat der Handelskrieg zwischen China und den USA Folgen für Südostasien?
Auf jeden Fall. Wir sind wirklich besorgt, dass China nun seine Überproduktion, die es nicht mehr in die USA verkaufen kann, zu Dumpingpreisen in Südostasien anbietet. Das ist unsere größte Befürchtung. Indonesien bereitet sich darauf vor, sich davor zu schützen – zum Beispiel mit Anti-Dumping-Zöllen oder entgegenwirkenden Subventionen.
Rechnen sie auch mit einem Rückgang der Exporte nach China?
Ja. Chinas Bedarf an Rohstoffen für die eigene Industrie kann jetzt sehr wohl sinken. Wir hatten ein Handelsbilanzdefizit mit China, bis seit 2015 China die Verarbeitung von Nickel nach Indonesien verlagert hat und unser Export des Metalls stark gestiegen ist. Nur der sichert uns mit China einen Handelsüberschuss. Wenn China wegen der Zölle seine Produktionskapazität verringert, trifft uns auch das. Wir fragen uns jetzt bereits, ob wir mehr Nickel erzeugen, als die Welt benötigt.
Können südostasiatische Länder ihre Strategien der wirtschaftlichen Entwicklung nicht anpassen – zum Beispiel neue Märkte finden oder weniger auf Exporte setzen?
Das kann für Länder wie Indonesien funktionieren, wo 180 Millionen Einwohner einen großen Binnenmarkt darstellen. Aber in Ländern wie Vietnam beruht das Wirtschaftswachstum hochgradig auf Exporten. Weniger stark auch in Malaysia, das unter anderem Elektronik ausführt, aber in Malaysia leben nur 34 Millionen Menschen. Vom Export unabhängiges Wachstum ist für solche kleineren Länder sehr schwer zu erreichen. In Indonesien hingegen wachsen jetzt die Zweifel am neoliberalen Modell, dem wir gefolgt sind – mit Malaysia und Vietnam als Vorbildern. Jetzt diskutieren wir über eine Wirtschaft, die am Welthandel teilnimmt, aber deren Motor nicht Exporte sind. Indonesien ist wirtschaftlich nicht so offen wie viele andere südostasiatische Länder. Aber wir haben bisher keine einheimische Unternehmerschicht. Unser Wachstum ist zwar weniger von Exporten abhängig, wohl aber von ausländischen Investitionen.
Findet der Verband südostasiatischer Staaten, die Asean, eine gemeinsame Haltung gegenüber der Zollpolitik der USA? Oder ist das wegen der sehr unterschiedlichen Wirtschafts- und Handelsstrukturen schwierig?
Es ist schwierig. Asean hat im April eine Arbeitsgruppe geschaffen, die die Entwicklung der Zölle beobachten und eine kollektive Antwort koordinieren soll. Aber eine gemeinsame Reaktion gibt es bisher nur in der Rhetorik: Wir werden nicht mit Gegenzöllen zurückschlagen. Bisher verhandeln südostasiatische Staaten wie Indonesien, Thailand, Kambodscha und Vietnam je einzeln mit den USA und halten sich bedeckt, um einen eigenen Deal nicht zu gefährden.
Wie kann so ein Handel aussehen?
Für Indonesien liegt ein sehr schlechter Deal auf dem Tisch: Die USA verlangen, dass wir den Handelsbilanzüberschuss mit den USA von jährlich bis zu 14 Milliarden US-Dollar dadurch ausgleichen, dass wir in den USA Agrarprodukte, Flüssiggas und Rüstungsgüter kaufen. Und nicht nur das: Wir sollen auch andere Handelshemmnisse abbauen, darunter Regeln, die zum Kern unseres Systems gehören – etwa local content requirements, also Vorschriften für in Indonesien produzierende Konzerne, einen gewissen Anteil indonesischer Vorprodukte zu verwenden. Und in Indonesien gibt es QRIS, das ist eine App, mit dem man ohne Konto- oder Kreditkarte bargeldlos zahlen kann; 60 Prozent der Transaktionen werden damit abgewickelt. Dienste wie die Apple Wallet sind dagegen nicht erlaubt. Die USA verlangen nun, dass wir QRIS abschaffen und Zahlungsdienste wie die von Apple, Google und Mastercard zulassen.
Worauf zielen die USA nach Ihrer Ansicht im Kern ab? Wollen sie sich von China wirtschaftlich abkoppeln und andere Länder zwingen, sich zwischen einem von den USA dominierten Wirtschaftsraum und einem von China dominierten zu entscheiden?
Mir scheint, so stellt Donald Trump sich das vor. Aber er versteht die Folgen seiner Handlungen nicht. Tatsächlich drängt er Südostasien an die Seite Chinas. Früher haben viele in Indonesien und Südostasien mit den USA sympathisiert und China als gefährlich angesehen, aber jetzt dreht sich die Meinung zugunsten von China. Früher haben wir die USA trotz etwa der Invasionen im Irak und in Afghanistan als wohlwollenden Hegemon angesehen. Sie wurden als militärisches und sicherheitspolitisches Gegengewicht zu China gebraucht. Aber jetzt sorgen die USA nicht mehr für öffentliche Güter wie Sicherheit, und das bringt viele Länder Südostasiens in eine sehr schwierige Lage. Wenn China sich entschließt, den Zollschock hinzunehmen und ihre Überkapazitäten abzubauen, statt zu Dumping zu greifen, dann wird Südostasien sich auf die Seite Chinas schlagen. Die USA haben hier meiner Meinung nach ihre Führungsrolle verloren. Indonesien ist stolz darauf, ein demokratisches Land zu sein und zu Werten zu stehen, die wir bisher mit den USA teilten. Das ist plötzlich vorbei. Es geht nur um einen Deal. Der fällt zu unserem Nachteil aus, und die USA bieten uns nicht einmal mehr nennenswerten Schutz gegenüber China. Wir kommen in eine Lage wie Kambodscha oder Myanmar: Wir haben keine andere Wahl, als uns China anzunähern.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
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