Auch Hirten sollen ihr Vieh versichern können

picture alliance / Anadolu/Gerald Anderson
Die Pastoralisten in Kenia, auf dem Foto solche vom Rendille-Volk, das im Norden Kenias lebt, können ihr Vieh versichern lassen. Stehen die Zeichen auf Dürre, werden die Viehzüchter für erwartete Verluste entschädigt. Diese Art der Versicherung könnte auch ein Vorbild für Tansania sein.
Tansania
Extreme Trockenphasen und Dürren haben den Hirten Ostafrikas in den vergangenen Jahren schwer zu schaffen gemacht. In Tansania hätten viele Pastoralisten gern eine Möglichkeit, ihr Vieh zu versichern. Vorbild ist Kenia, wo es eine solche seit rund zwanzig Jahren gibt.

Wegen schwerer Dürre sind in Tansania um den Jahreswechsel von 2021 auf 2022 62.000 Rinder, Schafe, Ziegen und Maultiere gestorben. Auch in den Jahren danach hat es schwere Dürren gegeben; für die Zukunft rechnen Fachleute wegen der Erderwärmung mit mehr, längeren und heftigeren Trockenzeiten. Das Leben der Familien und Clans, die von der Viehhaltung leben, wird dadurch in seinen Grundfesten erschüttert. 

Um solche Verluste abzusichern, hat die staatliche Nationale Mikrofinanzbank Tansanias im Juni 2024 erstmals eine Versicherung für Viehzüchter eingeführt. Sie erfasst alle Arten von Haustieren, allerdings nur die von sesshaften Viehzüchtern, die ihre Herden füttern und auf einem dafür bestimmten Gebiet halten. Die Versicherung erfasst nicht die Herden der Pastoralisten, also der mobilen Viehzüchter. „Pastoralisten sind eine besondere Gruppe. Ihre Art, von Ort zu Ort zu ziehen, macht es für die Versicherer schwierig, die Versicherungsnehmer ausfindig zu machen“, sagt Faustin Zacharia, der geschäftsführende Direktor des Tanzania Natural Resources Forum (TNRF), das schon mehrere Projekte mit Massai-Gemeinschaften im Norden Tansanias durchgeführt hat. „Pastoralisten geben auch selten die Anzahl ihrer Tiere an. Das macht die Sache kompliziert, wenn sich die Versicherung an der Anzahl der Tiere bemisst.“

In Kenia gibt es seit 20 Jahren eine Viehversicherung

Anders als in Tansania gibt es in Kenia seit etwa zwei Jahrzehnten eine indexbasierte Viehversicherung (IBLI) auch für Pastoralisten. Sie arbeitet nach dem Prinzip der Vorhersage: Der Versicherer sammelt Daten aus dem für den Versicherungsschutz vorgesehenen Gebiet und errechnet daraus die Wahrscheinlichkeit und die Schwere einer Dürre für einen bestimmten Zeitraum. Die nötigen Daten werden meist zwei Monate vor Beginn der Regenzeit erhoben. Stehen die Zeichen auf Dürre, werden die Viehzüchter für erwartete Verluste entschädigt, damit sie beizeiten andernorts Weideland kaufen oder in Gebiete umziehen können, in denen es keine oder weniger schwere Dürren gibt. IBLI ermöglicht so den Hirten, schwere Verluste im Vorfeld zu vermeiden und widerstandsfähiger zu werden. So ermutigt die Versicherung Pastoralisten dazu, mit den im Vorfeld einer prognostizierten Dürre ausgezahlten Geldern einen Vorrat an Futter und Wasser anzulegen, so dass sie im Ernstfall nicht übereilt weiterziehen müssen und dabei beispielsweise von Viehdieben bestohlen werden. 

Die Hirten können die Policen auf zwei Arten erwerben: Entweder sie kaufen sie von Versicherungsgesellschaften, die für das IBLI-Programm tätig sind, beispielsweise Takaful Insurance Africa. Oder aber sie bekommen sie von der Regierung, die sie vorher von der Versicherung gekauft hat, um sie an ausgewählte, besonders bedrohte Viehzüchter weiterzugeben. Die Versicherung gilt nur für kenianische Staatsangehörige, die in dafür festgelegten Gebieten leben. Die Hirten entscheiden, wie viele Tiere sie jeweils versichern möchten, und zahlen entsprechende jährliche Prämien.

In Kenia wurde IBLI 2008 ins Leben gerufen, vom International Livestock Research Institute zusammen mit einigen Forschungsorganisationen und kommerziellen Partnern. Es sollte Hirten in trockenen und halbtrockenen Gebieten des Landes unterstützen. Heute ist das Geschäft mit den Prämien komplett in privater Hand. Das Unternehmen Oromia Insurance hat das Programm übernommen und betreibt IBLI mittlerweile auch in Äthiopien. 

In Kenia haben bis zum Jahr 2022 schon mehr als sechs Millionen Menschen von der Versicherung profitiert. Das ist insofern von Bedeutung, als sich nach Angaben der Kenya League of Pastoralists, des Verbands der Hirten, etwa 8,8 Millionen Menschen als Hirten bezeichnen. In Tansania gibt es nach Angaben des Ministeriums für Viehzucht und Fischerei etwa 1,5 Millionen Pastoralisten. Für viele von ihnen sind die Bedingungen insgesamt besser als für die Hirten im Nachbarland Kenia, denn vor allem im Süden und im Westen Tansanias gibt es viele beständige Flüsse. Aber die Hirten im zentralen und nördlichen Teil Tansanias geraten bei schweren Dürreperioden in ähnliche Schwierigkeiten wie ihre Berufsgenossen in Kenia. 

Klimaresilienz von Hirtengemeinschaft stärken

Tansania könnte von Kenias IBLI-Versicherung lernen und den Viehzüchtern so ermöglichen, ihre Herden im Vorfeld einer Dürre mit Weideland und Wasser zu versorgen, und sie so zu retten. Derzeit gibt es zwar noch kein Paket für Viehzüchter, und die Bank plant auch keines. Aber Viehzüchter wie David Ole Mwarabu aus dem Dorf Parakuyo in der Region Morogoro würden ein solches Programm sehr begrüßen. Er besitzt rund 100 Tiere, „und wenn ich die Möglichkeit hätte, sie zu versichern, würde ich es tun.“ 

Autor

Deodatus Mfugale

ist freier Journalist in Tansania.
Im Hinblick auf solch eine Versicherung in Tansania ist auch ein Blick auf die Schwierigkeiten sinnvoll, die IBLI in Kenia zu bewältigen hat. Beispielsweise beklagen viele Hirten, dass die Methode zur Berechnung der Entschädigung nicht klar ist: Immer wieder herrscht Uneinigkeit zwischen Versicherern und Prämienhaltern über die Kriterien, wer entschädigt wird und wer nicht und wie ernst die Situation sein muss, um eine Entschädigung zu rechtfertigen. Hirten, die die Versicherung als eine Art Glücksspiel ansehen, schrecken vor dem Kauf von Prämien eher zurück.

„Die Hirten waren in Kenia nicht an der Ausarbeitung des Programms beteiligt. Sie hätten ihre Ansichten einbringen und darüber aufgeklärt werden müssen, wie es funktioniert“, erklärt Bariki Barikaa, der für das Livestock Research International Institute in Nairobi arbeitet. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Viehzüchter weiterhin Prämien kaufen und entschädigt werden, wenn eine Dürre vorhergesagt wird. Dazu komme, dass viele Hirten privaten Unternehmen nicht wirklich vertrauten. „Sie rechnen immer damit, dass das Unternehmen eines Tages verschwindet oder Pleite geht, und bangen um ihre Prämien.“ 

Andere betonen, dass IBLI nicht ausreicht, um die Widerstandsfähigkeit der Versicherungsnehmer gegen den Klimawandel zu erhöhen. „Versicherungen sind ein finanzieller Ansatz und nicht der einzige Weg, um die Klimaresistenz von Hirtengemeinschaften zu stärken“, erklärt Masalu Luhula, der in Dar es Salaam für die internationale nichtstaatliche Landrechtsorganisation Landesa arbeitet. „Ebenso wichtig sind öffentliche Maßnahmen zum Schutz von Wasser, Wäldern und der natürlichen Vegetation im Allgemeinen.“ 

Das vielleicht Wichtigste bei der Einführung sei, dass die Versicherungspolice für Finanzierung und Betrieb die volle Unterstützung der Regierung genießt, sagt Faustin Zacharia, „damit sie nicht von Projekten und Gebern abhängig ist“.

Aus dem Englischen von Barbara Erbe.

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