„Kumain Kana? – Hast du schon gegessen?“ Unter diesem Titel hat das Wien Museum im Sommer eine Ausstellung der philippinischen Gemeinschaft in Österreich gewidmet. Ihre Geschichte begann in den 1970er- und 1980er-Jahren, als auf Grundlage von Anwerbeabkommen die ersten Pflegekräfte aus Manila nach Wien kamen. Kuratiert hat die Schau Chelsea Amada, die selbst in dieser Gemeinschaft aufgewachsen ist. „Alle meine Tanten, meine Mutter, sogar die Freundinnen meiner Mutter waren Krankenschwestern. Doch ihre Erfahrungen waren in den Medien nie präsent. Also habe ich ihre Geschichte erzählt“, sagt sie. Heimweh, die Distanz zur Familie, die Hürde der deutschen Sprache, der Aufbau eines neuen Lebens – all das prägte die Anfänge. Amadas Ausstellung holt diese Erfahrungen ins Licht und zeigt, wie Migranten in Wien ihre Geschichten zunehmend selbst erzählen.
Heute hat fast die Hälfte der Wiener Bevölkerung – rund 44 Prozent – einen Migrationshintergrund. Dazu zählen alle, die selbst oder deren beide Eltern im Ausland geboren wurden. Die Hauptstadt weist damit die höchste Dichte an Personen mit Migrationshintergrund aller österreichischen Bundesländer auf. Die größte Gruppe stellen hier die etwa 100.000 Serbinnen und Serben. Es folgen die türkische Gemeinschaft mit rund 76.000 Menschen und rund 70.000 Deutsche. Stark gewachsen sind in den vergangenen Jahren die syrische und ukrainische Gemeinschaft mit etwa 43.000 beziehungsweise 34.000 Menschen. 4000 Filipinos und rund 12.000 Menschen aus Lateinamerika sind ebenso Teil dieser Vielfalt.
Von dieser Vielfalt zeugen die zahlreichen Kulturinitiativen, Sportclubs und religiösen Gemeinschaften, die als Treffpunkte dienen und zugleich Orte des Austauschs und der Vermittlung sind. Ein Beispiel ist der afghanische Verein Akis, gegründet 1996 von Ghousuddin Mir, der 1993 vor dem Bürgerkrieg aus Afghanistan flüchtete. „Damals war wenig über Afghanistan bekannt, und viele Menschen in Österreich hielten und uns pauschal für Kämpfer, Terroristen oder Fundamentalisten. Ich wollte mit dem Verein zeigen, dass es auch eine andere Seite gibt: die echte afghanische Kultur“, sagt er. Akis begann mit Musikabenden, Lesungen, Workshops und Fußballturnieren. Bis heute gehören diese Aktivitäten zum Programm des Vereins mit mittlerweile 390 Mitgliedern, ergänzt um Konferenzen, Publikationen und Integrationsprojekte, etwa zur Prävention von Extremismus.
Rücküberweisungen sind mehr als nur Geld
Doch auch die Verbindung in die alte Heimat bleibt. „Natürlich sind wir in Kontakt mit Familienmitgliedern und anderen Menschen, die dortgeblieben sind“, sagt Mir. So werden etwa mit Spenden der Gemeinschaft aus Wien drei Mädchenschulen und ein Nähkurs in Kabul finanziert – heimlich, weil die Taliban Mädchen den Zugang zu Bildung verwehren. Solche transnationalen Bindungen finden sich in vielen migrantischen Gemeinschaften.
Eine zentrale Rolle spielen Rücküberweisungen, sogenannte Remittances. Laut Weltbank flossen 2024 Rücküberweisungen im Wert von rund neun Millionen US-Dollar aus Österreich ins Ausland. Doch Remittances sind mehr als Geld, betont die Kulturwissenschaftlerin Silke Meyer von der Universität Innsbruck: „Es geht auch um alltägliche Objekte wie Kaffeemaschinen und andere Küchengeräte, um die Architektur eines Hauses und um gesellschaftliche Vorstellungen wie Familie gelebt wird oder wie man die Freizeit verbringt. Migrantinnen und Migranten schicken nicht nur Geld, sondern auch Objekte und Ideen in die Herkunftsländer.“ Manchmal seien solche Sendungen Geschenke, manchmal sollen sie die Abwesenheit des Absenders kompensieren – oft aber auch verbunden mit Erwartungen, wie das Geld oder die Objekte verwendet werden sollen.
Gemeinsam mit ihrem Doktoranden Claudius Ströhle hat Meyer die sozialen Beziehungen zwischen der türkischen Gemeinschaft in Österreich und ihrem Herkunftsland untersucht. Dabei zeigte sich, dass die erste Generation regelmäßig kleine Beträge an Eltern und Kinder in der Türkei überwies. Die zweite schickte weniger, investierte dafür stärker in Österreich, etwa in den Bau von Moscheen. „Da fallen dann Sätze wie: Da, wo ich zu Hause bin, da investiere ich“, erzählt Meyer. Die dritte und vierte Generation hat oft keine direkten Adressaten mehr. Statt individueller Überweisungen fließen Gelder in Projekte wie Brunnen, Dorfvereine oder kleine Parks in der Türkei.
Auch bei den Filipinos in Wien zeigt sich ein Generationenwechsel. „Ich sehe in den letzten Jahren viele neue Vereine, Initiativen, Künstlerinnen und Künstler. Davor war die Gemeinschaft stark kirchlich geprägt, was viele Jüngere nicht mehr angesprochen hat. Jetzt ist etwas Neues entstanden“, berichtet Chelsea Amada. Gleich geblieben ist für sie das Essen als Symbol der Gemeinschaft: „Dieses Teilen, dieses Miteinander: Das ist es, was wir von den Philippinen mitgebracht haben und das bleibt. Das möchten wir auch mit allen Menschen hier teilen.“
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