Baumwolle: Wertvoller Rohstoff in schwierigen Zeiten

Zwei Männer pflücken Baumwolle in einem Feld. Vorne liegt eine Plane, in der die Baumwolle gesammelt wird.
AFP via Getty Images/OLYMPIA DE MAISMONT
Baumwollpflücker bei der Arbeit: Wie hier in Benin ist auch in Kamerun Baumwolle ein wichtiger Rohstoff. Der Export bringt Devisen und sichert Einkommen für Zehntausende Familien.
Kamerun vor den Wahlen
Zwischen Dürre, Schädlingen und Terror: Kameruns Baumwollbauern organisieren sich selbst, um zu überleben. Gerade im Norden des Landes wächst vor den kommenden Wahlen der Wunsch nach politischer Mitsprache.

Die Sonne steht hoch, als Mahamat Ahemat über ein ausgedörrtes Feld im Norden Kameruns geht. Zwischen Steinen und Staub ragen nur noch ein paar abgeerntete Baumwollstängel aus der Erde. „Mit dem ersten Regen wird wieder ausgesät“, erklärt Ahemat den Zyklus, nach dem seit jeher in der Region Baumwolle angebaut wird. Als stellvertretender Leiter des Service für Professionalisierung der Baumwollgesellschaft Sodecoton berät und unterstützt er kamerunische Bauern beim Anbau der Rohfaser.

Baumwolle ist in Kamerun ein bedeutender Wirtschaftszweig. Rund 115.000 Tonnen Baumwollfaser hat Sodecoton in der Erntezeit 2024/25 produziert, womit die Firma nach eigenen Angaben rund 15 Prozent zum landwirtschaftlichen Bruttonationaleinkommen beiträgt. Der Export bringt Devisen und sichert Einkommen für Zehntausende Familien. Vor allem die drei nördlichen Provinzen des Landes, „Norden“, „Hoher Norden“ und „Adamaoua“, sind die Kern-Anbaugebiete des zentralafrikanischen Landes. Dennoch bleibt die Lebensrealität vieler Bauern prekär.

Hohe Ausgaben aber auch Überfälle machen Bauern zu schaffen

Internationale Börsen bestimmen den Preis, schwankende Märkte und hohe Transportkosten drücken auf die Einnahmen. Gleichzeitig steigen die Ausgaben. Dünger, Saatgut und Pestizide verschlingen einen wachsenden Anteil der Erlöse. Und seit einigen Jahren macht ein neuer Schädling den Bauern zu schaffen: winzige Zikaden, die von Feld zu Feld ziehen und ganze Ernten vernichten können. Doch nicht nur Klima und Insekten setzen die Bauern unter Druck.

Auch die Sicherheitslage im äußersten Norden ist fragil. Immer wieder kommt es zu Überfällen von Banditen oder Angriffen der Terrorgruppe Boko Haram. „Wer eine gute Ernte hatte, sollte das nicht offen zeigen“, berichtet Landwirt Moussa Hina, „sonst gerät man schnell ins Visier.“ Laut dem Konfliktbeobachtungsinstitut ACLED haben sich die Zahlen der Lösegeld-Entführungen 2024 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.

Die Herausforderungen, mit denen die Bauern der Region tagtäglich zu kämpfen haben, sind mannigfaltig. Um die Menschen besser zu schützen, fördert Sodecoton daher inzwischen die Gründung von Genossenschaftsbanken. Statt Bargeld im Haus unter der Matratze zu lagern, können Bauern ihre Einnahmen direkt auf ein Konto einzahlen. Bei Überfällen gehe so nicht alles Ersparte verloren, erklärt François Kemai. Er ist der Leiter einer solchen Genossenschaftsbank in Pitoa, einer Kleinstadt bei Garoua.

Auch auf dem Feld selbst setzt man zunehmend auf neue Ideen. Gemeinsam mit dem Rechercheinstitut Iresco und der Afriland First Bank hat Sodecoton eine Studie durchgeführt, die die Einkommenslage vieler Bauernfamilien offenlegt. Obwohl Baumwolle Beschäftigung und Einkommen bietet, sind die Preise so niedrig, dass es zum Leben kaum reicht. Viele Bauernfamilien erreichen nur die Hälfte des benötigten Einkommens, manche sogar nur ein Viertel. In den kommenden fünf Jahren sollen deshalb 15 Millionen investiert werden: in widerstandsfähigere und produktivere Anbaumethoden, eine stärkere Diversifizierung und auch am Zugang zu Krediten soll gearbeitet werden. Eine wichtige Grundlage, damit Bauern nicht nur Baumwolle, sondern auch andere Kulturen wie Erdnüsse oder Mais anbauen können.

Präsident Paul Biya hat die Bauern nicht unterstützt

Was das staatliche Engagement angehe, berichten sämtliche Bauern, seien sie ziemlich auf sich allein gestellt. Seit 43 Jahren wird das Land von demselben Autokraten regiert: Paul Biya. Der 92-Jährige plant, sich bei den nächsten Wahlen am 12. Oktober im Amt bestätigen zu lassen - für seine achte Amtszeit. Bereits jetzt ist er der älteste diensthabende Präsident der Welt.

Lange galt der Norden dabei immer als zuverlässige Stimmenquelle für die Regierungspartei RDPC. Ob das in diesem Jahr der Fall sein wird, ist fraglich. Gleich zwei der Kandidaten, die gegen Dauerpräsident Biya ihren Hut in den Ring geworfen haben, stammen aus dem Norden. Bakary Tchirouma und Bello Bouba Maigari hatten zuvor in einer Allianz mit der RDPC immer fleißig ihre Anhänger für Biya begeistert. Dass sie nun selbst antreten, könnte das Stimmverhältnis verschieben.

Zugleich wachsen die Zweifel an der demokratischen Legitimität der Wahl. Spätestens seit der Sperrung des einflussreichen Oppositionspolitikers Maurice Kamto von der Partei Manidem wird offen gefragt, wie frei und fair die Abstimmung in dem zentralafrikanischen Staat überhaupt sein kann.

Die Herausforderer aus dem Norden haben zum Ziel, die Interessen und Probleme der Menschen in der Region präsent zu machen. Auch Landwirt Moussa Hina ist es ein Anliegen, dass die Sorgen und Nöte der „Nordisten“ mehr Gehör finden - ganz gleich, wer künftig das Land regiert.

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