Gravierende Mängel beim Globalen Gesundheitsfonds

Der Globale Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria hat in der Vergangenheit zu wenig darauf geachtet, dass die von ihm vergebenen Projektgelder ordnungsgemäß verwendet werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Prüfungskommission, die im September ihren Bericht vorgelegt hat. Das Entwicklungsministerium (BMZ) will weitere Zahlungen an den Fonds (GFATM) davon abhängig machen, wie der Fonds die Empfehlungen der Kommission verwirklicht. Bis November will der Fonds dazu einen Plan erarbeiten.

Wie Entwicklungsminister Niebel zum Fonds steht, ließ er am Rande der Weltbank-Jahrestagung Ende September in Washington einen der beiden Vorsitzenden des internationalen Prüfpanels, den früheren US-Gesundheitsminister Michael O. Leavitt, wissen: Der Fonds müsse schnellstens einen Fahrplan vorlegen, wie er die vom Panel angemahnten Reformen umsetzen will. Davon werde die Auszahlung der zweiten Tranche des deutschen Beitrags 2011 in Höhe von 100 Millionen Euro abhängen. Weitere Zusagen würden sich „nach den konkreten Reformfortschritten“ richten, sprich: Sie bleiben weiter fraglich. Bis 2013 hatte die Bundesregierung ursprünglich 200 Millionen Euro jährlich zugesagt. Die Ergebnisse der Prüfkommission haben es in sich. Sie wirft dem Fonds-Management vor, es habe in der Vergangenheit leichtfertig Gelder vergeben, Risiken unterbelichtet und die Kontrolle der Mittelverwendung vernachlässigt.

Autoren

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Der Fonds hatte das Panel unter Leitung von Leavitt und des früheren Präsidenten von Botswana, Festus Mogae, im März damit beauftragt, die eigenen Kontrollmechanismen zu prüfen, nachdem der Generalinspekteur des Fonds Korruptionsfälle in vier Ländern publik gemacht hatte. Das BMZ hatte seine Zahlungen an den Fonds eingestellt, nachdem Medien über die Fälle berichtet hatten (siehe welt-sichten 3/2011).

Der Panel-Bericht stellt fest, der Fonds habe lange wie eine Nothilfeorganisation gearbeitet mit dem Ziel, möglichst schnell möglichst viel Geld in Gesundheitsprojekte in aller Welt zu leiten. Das sei zum Zeitpunkt der Gründung des Fonds im Jahr 2002 wegen der dramatischen Lage in vielen Ländern – besonders mit Blick auf HIV/Aids – nachvollziehbar gewesen, aber heute angesichts des Wachstums des Fonds nicht mehr angemessen. In den neun Jahren seines Bestehens hat der Globale Fonds weltweit 14 Milliarden US-Dollar ausgegeben.

Projekte sollten gründlicher auf Risiken geprüft werden

Für das Risikomanagement sei bislang nur der 2005 eingesetzte Generalinspekteur zuständig, heißt es in dem Bericht weiter. Doch dessen Verhältnis zum geschäftsführenden Sekretariat sei stark von Misstrauen geprägt – mit der Folge, dass seine Empfehlungen häufig nicht oder nur halbherzig verwirklicht worden seien. Das Prüfpanel empfiehlt dem Fonds dringend, die Arbeitsbeziehungen zwischen dem Inspekteur und dem Sekretariat zu klären und zu verbessern. Zudem sollte der Fonds Projektanträge von Beginn an gründlich auf Risiken prüfen. Zu diesem Zweck sollte er Projektländer und Arbeitsbereiche nach dem Ausmaß möglicher Risiken wie Korruption, Missbrauch und Verschwendung kategorisieren. Er sollte die Position eines Risk Officers schaffen, der federführend für das Risikomanagement zuständig wäre.

Außerdem rät das Panel dem Fonds, sein bisheriges Verständnis von „ownership“ der Projektländer zu überdenken. Zwar müssten diese auch künftig in der Lage sein, ihre Prioritäten für Projekte zu formulieren und die Gelder den lokalen Umständen entsprechend zu verwenden. Aber der Fonds müsse mehr Kontrolle ausüben: „Ein Zuschuss des Globalen Fonds ist kein unveräußerliches Recht; die Empfänger müssen sich ihre ‚ownership‘ verdienen“, heißt es in dem Bericht.

Das Direktorium (Board) des Fonds, in dem Geber- und Empfängerländer sowie zivilgesellschaftliche Gruppen und die Privatwirtschaft vertreten sind, hat den Bericht auf einer Sitzung Ende September zur Kenntnis genommen und Reformen angekündigt. Bis November werde man einen detaillierten Plan vorlegen.

Die Opposition im Bundestag hält Niebels barsche Reaktion trotz der von dem Prüfpanel festgestellten Mängel für überzogen. „Es ist unverantwortlich, Menschenleben durch Nichtauszahlung zugesagter Gelder zu gefährden“, schimpfte etwa der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz. Statt „Drohpotenziale“ aufzubauen, solle das Entwicklungsministerium die Reformen des Fonds „konstruktiv begleiten“. Der sei immerhin das größte und wichtigste multilaterale Instrument im Kampf gegen HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria – und das sehr erfolgreich, wie auch das Prüfpanel anerkennt.

Die Opposition vermutet, Niebel wolle den Fonds austrocknen

Karin Roth, Entwicklungspolitikerin der SPD, machte darauf aufmerksam, dass die empfohlenen Reformen im Risikomanagement und wirksamere Kontrollmechanismen den Fonds Geld kosten würden – Geld, das dann für unmittelbare Hilfe fehle. Beide Oppositionsfraktionen hegen zudem den Verdacht: Der Minister ergreife jede Gelegenheit, bewährte multilaterale Strukturen „auszutrocknen“ – um möglichst viel in direkter, bilateraler Zusammenarbeit mit den Partnerländern vereinbaren zu können.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2011: Globalisierung: Auf dem Weg zur Einheitskultur?
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