Wie weit Mission gehen darf

Wie sollen sich Missionare in einem nicht-christlichen Kontext verhalten? Fünf Jahre lang haben der Ökumenische Rat der Kirchen, der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog und die Weltweite Evangelische Allianz eine Antwort auf diese Frage gesucht. Ende Juni haben sie in Genf einen gemeinsamen Verhaltenskodex vorgestellt.

Mission kann zum Problem werden. Nicht nur bei Nicht-Christen stehen allzu offensive Missionare in der Kritik. Auch in den Kirchen wird seit langem diskutiert, wie weit Mission gehen darf. Ein von allen kirchlichen Strömungen akzeptierter Verhaltenskodex war deswegen überfällig. Mit „Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ rufen der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog (PRID) und die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) all diejenigen, die das Evangelium verkündigen, zu respektvollem Umgang mit Menschen anderer Glaubensrichtungen auf. Die drei Organisationen repräsentieren rund zwei Milliarden Orthodoxe, Katholiken, Anglikaner, Protestanten, Evangelikale, Pfingstler und Mitglieder unabhängiger Kirchen. Das sind etwa 90 Prozent aller Christen weltweit.

Autorin

Katja Dorothea Buck

ist Religionswissen- schaftlerin und Journalistin in Tübingen.

In der Präambel des Papiers wird Mission als „zutiefst zum Wesen der Kirche“ gehörig definiert. Die Verkündigung des Evangeliums müsse allerdings im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums und in uneingeschränktem Respekt vor allen Menschen geschehen, heißt es. Zwangsmittel und Täuschung seien keine Methoden, mit denen Mission geschehen dürfe. Christinnen und Christen sollten ihr Verhalten von Mitgefühl und Demut und nicht von Arroganz, Herablassung und Herabsetzung bestimmen lassen. „Die Ausnutzung von Armut und Not hat im christlichen Dienst keinen Platz“, heißt es in dem Papier. Menschen sollten nicht mittels materieller Anreize und Belohnungen gewonnen werden. Die Autoren empfehlen ausdrücklich den Aufbau von interreligiösen Beziehungen. Insgesamt ruft das Dokument alle Kirchen und Missionsgesellschaften dazu auf, ihr Verhalten im jeweiligen kulturellen Kontext zu überdenken.

Kritiker bemängeln, der Verhaltenskodex enthalte nichts wirklich Neues zum Thema Mission. Man habe sich lediglich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Für die Ökumene an sich sei das Dokument aber „ein historischer Moment im Streben nach christlicher Einheit“, erklärte Geoff Tunnicliffe, der Generalsekretär der WEA. Es ist das erste Mal, dass PRID und ÖRK zusammen mit den Evangelikalen gemeinsame Empfehlungen erarbeitet haben – und das bei einem so heiklen Thema wie Mission. „Das Dokument zeigt, dass unterschiedliche christliche Einrichtungen in der Lage sind, zusammenzuarbeiten und mit einer Stimme zu sprechen“, sagte Tunnicliffe bei der Vorstellung des Papiers.

Niek Tramper, der Generalsekretär der Europäischen Evangelischen Allianz, bezeichnete das Dokument als eine Brücke zwischen den traditionellen und den freien Kirchen. „Evangelikale müssen anerkennen, dass etwas von Gottes Gnade und Wahrheit in den alten, institutionalisierten Kirchen steckt und die etablierten Kirchen müssen das Existenzrecht der kleinen evangelikalen Kirchen akzeptieren und sie als einen Teil des Leibes Christi betrachten und nicht als Sekten.“

Inwieweit der Verhaltenskodex sich auf die praktische Missionsarbeit auswirkt, bleibt abzuwarten. Nicht alle, die von ihrem Glauben überzeugt sind und ihn weitergeben wollen, werden nach dem handeln, was die kirchlichen Institutionen vorgeben. „Wozu brauche ich als wiedergeborene Christin eine Gruppe von Männern verschiedener Konfessionen, die Regeln für die Evangelisation festlegen?“ fragt zum Beispiel Susan Ferguson in der Internetausgabe von Christianity Today, einer evangelikalen Zeitschrift aus den USA.

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erschienen in Ausgabe 8 / 2011: Die Jagd nach dem dicksten Fisch
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