Vergessen in der Todeszelle

Der Fall Sakineh Ashtiani und die Praxis der Steinigungen im Iran
Der Fall Sakineh Ashtiani und die Praxis der Steinigungen im Iran

(4.11.2013) Vor sieben Jahren ging ein Name um die Welt: Sakineh Ashtiani. Sie wurde im Iran wegen angeblichen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt. Ihre für Juli 2010 angesetzte Hinrichtung wurde nach massiven internationalen Protesten ausgesetzt, seither ist Ashtiani in Haft. Nun ist ihr ebenfalls inhaftierter Anwalt Javid Houtan Kiyan freigelassen worden. Ashtianis Schicksal aber bleibt weiter ungewiss.

„Ihr Steinigungsurteil wurde schon an das Büro für die Durchführung von Urteilen geschickt“, sagte Thomas Beckmann, Sprecher der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), zu „welt-sichten“. Daher könne es jederzeit vollstreckt werden. Es habe zwar Berichte gegeben, „nach denen das Steinigungsurteil nicht mehr ausgeführt werden sollte“ und die 46-Jährige aus dem Gefängnis von Tabriz freigelassen werden könnte. Aber Ashtianis konkreter rechtlicher Status sei weiter völlig unklar, erklärte Beckmann. Es gibt Vermutungen, die Hinrichtung könne durch eine andere Methode – etwa durch Erhängen – vollzogen werden.

Ashtianis Anwalt Javid Houtan Kiyan sei „bis vor Kurzem“ in Haft gewesen und habe fünf Jahre Berufsverbot erhalten, sagte Beckmann zu „welt-sichten“. Houtan Kiyan wurde 2010 gemeinsam mit zwei Reportern der „Bild-Zeitung“ im Iran verhaftet, die versucht hatten, ihn und Ashtianis Sohn zu interviewen. Die Journalisten wurden im Februar 2011 nach diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung wieder freigelassen. Berichten zufolge wurde Houtan Kiyan im Gefängnis schwer gefoltert.

UN: Menschenrechtslage im Iran „nicht verbessert“

Auch unter dem als moderat geltenden Präsidenten Hassan Ruhani ist die Menschenrechtslage im Iran offenbar unverändert. Ahmed Shaheed, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (UN), sagte vor kurzem, es gebe „keine Anzeichen der Verbesserung“. Laut AI-Recherchen ist die Steinigung im Iran „nach wie vor gängige Praxis“. Verhängt werde sie als „angemessene Strafe“ bei Ehebruch, die Mehrheit der zum Tod durch Steinigung Verurteilten seien Frauen. Derzeit drohe „mindestens 15 Gefangenen“ die Hinrichtung durch Steinigung.

Auf der Facebook-Seite „Savesakineh“ heißt es, unter Präsident Ruhani, der seit August im Amt ist, seien bislang vier Frauen zu Tode gesteinigt und 13 Frauen gehängt worden. Insgesamt sei in mehr als 250 Fällen die Todesstrafe vollstreckt worden. Nach UN-Informationen gab es im Iran zwischen Januar 2012 und Juni 2013 insgesamt 724 Hinrichtungen.

Obwohl der Iran den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ ratifiziert habe, verstoße das Land nicht nur gegen das Folterverbot, sondern „durch eine Besonderheit im islamischen Strafrecht auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor Gericht“, berichtet Amnesty International: Beim Vorwurf des Ehebruchs zähle die Zeugenaussage eines Mannes doppelt so viel wie die einer Frau. „Das heißt, die Aussage eines Mannes muss durch die Aussage mindestens zweier Frauen widerlegt werden.“ Auch bei der Steinigung würden „geschlechtsspezifische Unterschiede“ gemacht: „Während ein Mann nur bis zu den Hüften eingegraben wird, wird bei einer Frau bis auf Höhe der Brust gegraben – dies ist deshalb relevant, weil eine Person, die während der Steinigung fliehen kann, nicht noch einmal für das begangene Verbrechen verurteilt und bestraft werden kann.“ (Tanja Kokoska)

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