Die Schande beenden

In Brasilien helfen Frauen-Polizeistationen, sexuelle Gewalt zu bekämpfen
In Brasilien helfen Frauen-Polizeistationen, sexuelle Gewalt zu bekämpfen

(18.11.2013) „Gewalt gegen Frauen ist eine Schande“, sagte die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff vor wenigen Tagen. In ihrem Land nimmt diese Schande immer größere Dimensionen an. Die Zahl der angezeigten Vergewaltigungen stieg 2012 um rund 18 Prozent. Dabei hat das Land frühzeitig versucht gegenzusteuern: Bereits 1985 führte Brasilien spezielle Polizeistationen für Frauen ein, um Gewalttaten zur Anzeige zu bringen.

50.617 Vergewaltigungen wurden 2012 in Brasilien nach Angaben des Instituts für öffentliche Sicherheit offiziell registriert. Die Zahl sei „alarmierend“, sagte Präsidentin Rousseff, zumal sie sogar die Zahl der Morde (47.136) deutlich übersteigt. Die Dunkelziffer dürfte jeweils noch höher liegen. Immerhin aber werden in Brasilien Vergewaltigungen verstärkt zur Anzeige gebracht.

Um Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen, empfiehlt die Organisation UN Women unter anderem Frauen-Polizeistationen, die in Brasilien „DEAM - Delegacias Especiais de Atendimento à Mulher“ genannt werden. Ähnliche Einrichtungen gibt es mittlerweile in vielen Ländern Lateinamerikas sowie in Indien, auf den Philippinen und in einigen afrikanischen Staaten. Hier unterstützen speziell ausgebildete weibliche Fachkräfte Frauen, die Opfer eines Gewaltverbrechens wurden, mit sensibler Beratung, medizinischer Versorgung und helfen ihnen, rechtliche Schritte einzuleiten.

Die meisten Täter kommen ohne Strafe davon

In Brasilien spielten diese Stationen inzwischen „eine führende Rolle bei der Initiierung von Gerichtsverfahren“, so UN Women. Ihr großes Verdienst sei es, Gewalt gegen Frauen „öffentlich und zu einer kollektiven Angelegenheit zu machen“ und Frauen über ihre Rechte aufzuklären. Allerdings gebe es noch Verbesserungsbedarf, unter anderem bei den Hilfsangeboten für Mädchen und junge Frauen; weniger als die Hälfte der Stationen biete derzeit eine spezifische Betreuung für diese Gruppe an.

Ein weiteres Problem beginnt, wenn eine Vergewaltigung zur Anzeige gebracht wird – die Straflosigkeit der Täter. In Brasilien arbeitet die Justiz langsam, verschleppt Prozesse oder verhängt nur geringe Strafen. Zwar wurden Sondergerichte eingeführt, die sich speziell mit Fällen von häuslicher und familiärer Gewalt beschäftigen. Ihre Zahl ist jedoch beschämend niedrig: „147 Gerichte für eine Bevölkerung von rund 200 Millionen Menschen“, erklärt UN Women. Allein in Rio de Janeiro seien in den ersten drei Monaten dieses Jahres rund 1800 Vergewaltigungen angezeigt worden – aber nur 70 Männer wurden verhaftet. Hier seien weitaus größere Investitionen notwendig, fordert die Organisation.

Die Sicherheit der Frauen verbessern sollen auch sogenannte Panic Buttons, deren Alarmtechnik mittels GPS-Technologie funktioniert. Allerdings werden diese Buttons nur an Frauen ausgegeben, die bereits Opfer einer Gewalttat wurden und deren Peiniger sich nicht an eine gerichtlich erwirkte einstweilige Verfügung halten. 

Nach Angaben der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und der Karibik, CEPAL, bleiben 90 Prozent aller Vorfälle von Gewalt gegen Frauen in Lateinamerika straffrei. In  weiten Teilen der Gesellschaft werde es noch immer als normal angesehen, dass Frauen von Männern geschlagen oder schikaniert werden, wenn sie sich nicht in die traditionelle Geschlechterrolle fügen. (osk)

Kulturtipp: Terre des Femmes-Filmfest „FrauenWelten“, 20. bis 27. November, Tübingen

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