Konzerne vor Gericht

Transnationale Unternehmen sollen zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden
Transnationale Unternehmen sollen zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden

(2.12.2013) Wenn Unternehmen in Krisenregionen Geschäfte machen, besteht die Gefahr, dass sie direkt oder indirekt an Menschenrechts-
verletzungen beteiligt sind. In Ländern mit schwachen Rechtsstaaten können sich die Opfer jedoch nur schwer zur Wehr setzen. Unterstützung kommt von Menschenrechtsanwälten – und womöglich der Politik: Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD sollen Konzerne künftig bestimmte Standards einhalten.

Menschenrechtsanwälte versuchen in anderen Ländern, gegen Unternehmen juristisch vorzugehen. Dabei sind die Verfahren äußerst langwierig, kosten viel Geld und den Klägern stehen vor Gericht die hoch bezahlten Anwälte der Unternehmen gegenüber. Trotzdem lohne sich das Engagement, sagte der südafrikanische Anwalt Charles Abraham kürzlich bei einer Konferenz zum Thema Menschenrechte und Unternehmen in Berlin. Im Namen tausender Apartheid-Opfer verklagte er 2002 die Unternehmen IBM, Ford, Daimler-Benz und den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall, weil sie mit dem Unrechtsregime kooperiert hatten. Auch wenn der Fall nach über zehn Prozessjahren vor US-Gerichten wenig Aussicht auf Erfolg hat, habe er auf geschehenes Unrecht aufmerksam gemacht und den Betroffenen eine Stimme gegeben, sagte Abraham.

In Deutschland gibt es kein Strafrecht für Unternehmen

Möglich wurde die Anklage in den USA auf Grundlage des sogenannten Alien Tort Claims Act (ATCA), der es erlaubt, Verstöße gegen das Völkerrecht vor Gericht zu bringen, auch wenn die Beteiligten nicht aus den USA stammen. Die meisten transnationalen Menschenrechtsklagen gegen Unternehmen wurden deshalb bislang in den USA ausgefochten. Doch weil der Oberste Amerikanische Gerichtshof die Anwendbarkeit von ATCA dieses Jahr eingeschränkt hat, müssen sich Menschenrechtler verstärkt nach anderen Rechtswegen umsehen.

In Deutschland seien die Hürden zu zivilrechtlichen Beschwerdeverfahren viel zu hoch, kritisierte Miriam Saage-Maaß vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). So verfügten die Opfer oft nicht über das nötige Wissen und ausreichend Geld, um Verfahren anzustrengen; kurze Verjährungsfristen beschränkten zudem die zivilrechtliche Haftbarkeit. Und im Unterschied zu vielen anderen Ländern gebe es in Deutschland kein Strafrecht für Unternehmen: Anklage könne nur gegen einzelne Mitarbeiter erhoben werden.

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Hoffnung setzen die Juristen auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag von Union und SPD, transnationale Unternehmen zur Einhaltung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards zu drängen. Dafür will eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung die 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten Leitlinien für Unternehmen und Menschenrechte umsetzen. Diese halten Konzerne dazu an, die Menschenrechte zu respektieren und Verstößen vorzubeugen. Die Staaten indes müssen gewährleisten, dass die Opfer von Unternehmensunrecht Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung erhalten. Wie sie dies tun sollen, schreiben die Leitlinien jedoch nicht vor. 

Zur Umsetzung der Leitlinien braucht es nach Meinung von Volker Beck, Sprecher für Menschenrechtspolitik der Grünen, entsprechende Gesetzesänderungen. Heiko Willems von der Abteilung Rechtspolitik des Bundesverbands der deutschen Industrie hält dagegen: „Die vorhandenen Rechtsmittel in Deutschland sind ausreichend. Es geht nur darum, diese zu anzuwenden.“ Bislang seien die Klagen nur deshalb in den USA eingegangen, weil der Rechtsweg dort einfacher sei.

„Menschenrechte müssen überall einklagbar sein“

Umstritten ist, wie weit die Verantwortung der Unternehmen reicht: Unter welchen Umständen können transnationale Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn in ihren Lieferbetrieben Arbeiter zu Schaden kommen, etwa in den Textilfabriken in Pakistan oder Bangladesch? Und wann sind Mutterunternehmen für Verstöße ihrer Tochterfirmen mitverantwortlich? Eine Frage, die auch im Hintergrund einer Strafanzeige gegen einen Manager der deutsch-schweizerischen Holzfirma Danzer AG steht, die das ECCHR bei der Staatsanwaltschaft Tübingen eingereicht hat. Der Vorwurf: Der Manager habe nicht verhindert, dass führende Mitarbeiter eines kongolesischen Tochterunternehmens 2011 einen Polizeieinsatz unterstützten, bei dem ein Dorfbewohner ums Leben kam und mehrere Frauen vergewaltigt wurden.

Um den Verantwortungsbereich von Unternehmen klarer abzustecken, fordert das ECCHR strengere Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Wesentlich weitreichender ist der Vorschlag von Jochen von Bernstorff, Völkerrechtler an der Uni Tübingen. Nötig sei ein internationales völkerrechtliches Abkommen für die Regulierung transnationaler Unternehmen, ähnlich der UN-Konvention gegen Korruption. Damit könnten Staaten gezwungen werden, einheitliche menschenrechtliche Mindeststandards über das jeweils nationale Recht abzusichern. Denkbar sei auch die Einrichtung internationaler Gerichte für Klagen gegen Unternehmen: „Menschenrechte sind universell, deshalb müssen sie auch überall einklagbar sein“, sagte Bernstorff. (Sebastian Drescher)

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