Wie reagieren deutsche Organisationen?

Zum Thema
Sexueller Missbrauch
Deutsche Entwicklungs- und Hilfsorganisationen wehren sich nach dem Missbrauchsskandal bei Oxfam gegen pauschale Verurteilungen. Zugleich wollen sie die Debatte nutzen, um weiter für das Thema zu sensibilisieren.

Der Aufschrei war groß, als Anfang Februar ans Licht kam, dass ehemalige Mitarbeiter der britischen Sektion von Oxfam 2010 in Haiti Frauen für Sexpartys bezahlt hatten. Auch Ärzte ohne Grenzen und die US-Flüchtlingsorganisation International Rescue Committee (IRC) veröffentlichten in der Folge Zahlen, die sexuelles Fehlverhalten in den eigenen Reihen belegen. Die meisten bekannt gewordenen Fälle betreffen die humanitäre Hilfe – wohl weil Opfer von Kriegen und Katastrophen sich besonders schlecht wehren können.

Die Debatte beschäftigt auch deutsche Organisationen: „Wir fühlen mit den Opfern, denen alle Unterstützung zukommen muss, die sie benötigen“, fordert Eva Wagner, Sprecherin des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO), in einer Stellungnahme. Zugleich beklagt sie, dass die Arbeit der Helfer durch den Skandal öffentlich in Misskredit gerate. Das sei sehr frustrierend für alle Mitarbeiter und Ehrenamtlichen, die sich für mehr globale Gerechtigkeit engagierten.

Der Verband sowie einzelne Organisationen wollen ihre Regeln überprüfen, die sexuellem Missbrauch vorbeugen und mit denen Vorfälle konsequent verfolgt werden sollen. Man nutze die Debatte auch, um die Mitarbeiter weiter für das Thema zu sensibilisieren und das Bewusstsein zu schärfen, heißt es bei der Johanniter-Auslandshilfe, die weltweit in rund 20 Ländern aktiv ist. Ähnlich äußern sich die Welthungerhilfe, Caritas International, das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) auf Anfrage von „welt-sichten“.  

Beschwerden auf vielen Wegen

Die Organisationen verweisen zugleich auf verpflichtende Verhaltensregeln, die sich gegen sexuellen Missbrauch und Ausbeutung richten sowie den besonderen Schutz von Kindern betonen. Man vermittle diese Werte in regelmäßigen Schulungen und bei der Einweisung neuer Mitarbeiter. Auch bei der Auswahl der Partnerorganisationen schaue man in diesen Punkten genau hin, heißt es etwa bei der Johanniter-Auslandshilfe. 

Mögliche Beschwerden können Betroffene oder Zeugen auf unterschiedlichen Wegen bei den befragten Organisationen eingeben, unter anderem über anonyme Hotlines, Whistleblower-Adressen sowie feste Ansprechpartner oder Vertrauenspersonen in den Zentralen und Auslandsbüros. Caritas International nennt als Beispiel den Fall eines freien, befristeten Mitarbeiters, der während seines Einsatzes Prostituierte in seiner privaten Unterkunft empfangen hatte. Nach einer Beschwerde durch den Projektpartner wurde der Vertrag vorzeitig aufgelöst. Dokumentiert hat Caritas International den Vorfall, der elf Jahre zurückliegt, über ein Risikomanagementsystem. Das soll gegenüber externen Prüfern transparent machen, wie die Organisation mit Vorfällen umgeht.

Caritas International sowie die GIZ haben zudem neutrale Ombudsmänner eingesetzt. Sie dienen wie im Fall der GIZ vor allem zur Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität, können aber auch von Missbrauchs-Betroffenen kontaktiert werden. Das EWDE plant laut Sprecherin Anne Dreyer derzeit den Aufbau einer mehrsprachigen Ombudsstelle, die auch  Partnerorganisationen offen stehen soll. Bislang könnten diese mögliche Fälle an die Auslandsbüros, die Leitung oder an eine internationale Stelle des Bündnisses Act Alliance melden, dem das EWDE ebenso wie viele Partner angehört. Entscheidend sei, dass die Projektpartner selbst Vorwürfe ernst nähmen und verfolgten, sagt Dreyer.

Ein Restrisiko bleibt

Um sexueller Ausbeutung vorzubeugen, setzen das EWDE und andere Organisationen auch auf eine Überprüfung neuer Mitarbeiter. Bewerber seien dazu aufgefordert, Referenzen früherer Arbeitgeber und Ansprechpartner für Rückfragen anzugeben, so Dreyer. Für die Arbeit mit Kindern müssten sie zudem ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Das liste jedoch nur nachgewiesene Delikte auf, erklärt Dreyer. Grundsätzlich sei man darauf angewiesen, dass Fehlverhalten überhaupt angezeigt werde.

Auch VENRO-Sprecherin Wagner weist darauf hin, dass man das Problem nicht alleine in den Griff bekommen könne. Nötig sei ein Bewusstseinswandel in allen gesellschaftlichen Bereichen – in Deutschland wie in den Projektländern. Denjenigen, die sich übergriffig verhalten, müsse bei sexueller Belästigung viel eher die rote Karte gezeigt werden. Schließlich bleibe immer ein Restrisiko: Auch wenn man alles tue, um Missbrauch auszuschließen, sei dieser nie ganz zu verhindern.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2018: Globale Politik von unten
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