Knallige Hitliste

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Weltbank-Bericht
Kein „Doing Business Report“ dieses Jahr: Der Verdacht, dass Daten manipuliert worden sind, sollte Anlass für eine Reform sein, meint Tillmann Elliesen.

Wie leicht oder schwer ist es, in Kambodscha, Kamerun oder Kanada eine Firma zu gründen? Seit 2002 informiert die Weltbank jedes Jahr in ihrem „Doing Business Report“ über das Geschäftsklima in fast 200 Ländern der Welt. Kriterien für die Bewertung sind unter anderem der bürokratische Aufwand, die Steuerlast für Unternehmen, die Regulierung des Arbeitsmarkts und der Zugang zu Investitionskapital; die Ergebnisse fasst der Bericht in einer Länderrangliste zusammen.

Im Oktober wäre die nächste Ausgabe fällig gewesen, doch dieses Jahr verzichtet die Bank erstmals seit 17 Jahren auf eine Veröffentlichung. Der Grund: In den Berichten der Jahre 2017 und 2019 seien möglicherweise Daten manipuliert worden, so dass sie nicht mehr der Methodologie von „Doing Business“ entsprechen, heißt es in einer Erklärung der Weltbank. Laut dem „Wall Street Journal“ geht es um die Bewertung Chinas, Aserbaidschans, der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens. Die Weltbank will nun die vergangenen fünf Berichte überprüfen und gegebenenfalls nachträglich korrigieren; bis dahin wird es keine neuen Ausgaben geben.

Das ist deshalb bemerkenswert, weil über „Doing Business“ gestritten wird, solange es ihn gibt. Vor fast drei Jahren ging es dabei schon einmal um den Umgang mit Länderdaten und der Methodologie. Anfang 2018 hatte der damalige Weltbank-Chefökonom Paul Romer mit Blick auf starke Schwankungen im Ergebnis von Chile angedeutet, das Land sei immer dann im Index abgerutscht, wenn eine linke Regierung an die Macht gekommen sei, obwohl sich die Politik gar nicht stark verändert habe. Romer konnte eine gezielte Manipulation aber nicht belegen und trat von seinem Posten zurück, nachdem das Weltbank-Management ihn für seine Mutmaßung gerüffelt hatte.

Eine halbe Ehrenrettung erhielt Romer dann kurz darauf vom Center for Global Development in Washington: Forscher dort zeigten in einer Untersuchung, dass nicht nur Chile, sondern auch andere Länder von Jahr zu Jahr bei mehr oder weniger gleichbleibender Politik teilweise sehr unterschiedlich bewertet worden seien. Für das Center for Global Development war das kein Hinweis auf bewusste Manipulation, wohl aber darauf, dass die Weltbank die Daten schwer nachvollziehbar von Jahr zu Jahr unterschiedlich bewerte.

Eine krude marktliberale Ideologie?

Ob Manipulation oder nicht nachvollziehbare Methode: Für viele eingefleischte Kritiker von „Doing Business“ ist das gar nicht das größte Problem. Sie monieren seit vielen Jahren, dass der Bericht eine krude marktliberale Ideologie propagiert: je weniger Auflagen für Unternehmen, je niedriger die Steuern und je flexibler der Arbeitsmarkt, desto besser schneidet ein Land im Index ab. Teilweise ist die Kritik berechtigt: Dass Arbeitsschutz, Sozialabgaben und ein angemessener Steuersatz auch aus unternehmerischer Sicht längerfristig günstig auf das Geschäftsklima und eine Volkswirtschaft wirken können, interessiert „Doing Business“ nicht. Bewertet wird bloß die kurzfristige Wirkung auf eine Unternehmensgründung.

Zu weit geht die Kritik, „Doing Business“ rede letztlich einer Art Naturzustand das Wort, in dem es am besten gar keinen Staat gibt, der regulierend in die Wirtschaft eingreift. Im Bericht vom vergangenen Jahr liegen mehr oder weniger gescheiterte Staaten wie Somalia, Libyen oder Afghanistan auf den hintersten Rängen, während unter den ersten zehn Plätzen solide Sozialstaaten wie Neuseeland, Dänemark und Schweden zu finden sind.

Dennoch wäre die aktuelle Krise eine gute Gelegenheit, den Bericht zu reformieren. Vor sieben Jahren hat die Weltbank „Doing Business“ schon einmal von unabhängigen Fachleuten begutachten lassen. Eine Empfehlung lautete damals, die Bank solle auf die jährliche Länderrangliste verzichten. Kurzfristig könne das den Bericht in Politik und Medien Aufmerksamkeit kosten, langfristig aber könnte es seinen Wert als ernstzunehmende Informationsquelle und Diskussionsgrundlage steigern, urteilten die Gutachter. Die Weltbank hat das abgelehnt – und ist dabeigeblieben, vielschichtige wirtschaftspolitische Zusammenhänge auf eine simple Maßzahl zu reduzieren und eine knallige Hitliste zu erstellen.

Das stachelt die so bewerteten Länder vielleicht an, eine Politik im Sinne der „Doing Business“-Kriterien zu machen. Es verleitet möglicherweise aber auch dazu, Daten zu manipulieren, um auf diese Weise Länder nach oben oder unten zu schieben. Sollte sich jetzt bestätigen, dass das passiert ist, wäre das für den Bericht viel schädlicher als die seit vielen Jahren vorgetragenen ideologischen Einwände. Am Ende könnte das „Doing Business“ sogar den Garaus machen, was sich seine Kritiker schon lange wünschen.

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Bei meinen Reisen, zuletzt Uganda, habe ich gelernt welche großen Chancen es für die Bevölkerung bietet, sich schnell und unkompliziert selbständig zu machen. Dabei ist mit besonders in Erinnerung ein florierender Imbiß-Stand in Taiyuan/Shanxi. Zur Mittagszeit bildeten sich lange Schlangen an der Essensausgabe, das Geschäft brummte wie man so sagt. Die Übersetzerin erklärte mir, daß der Betreiber außer den Regeln der Hygiene kaum Vorgaben hat. Es arbeiten nur Familienangehörige in seinem Geschäft, also keine Angestellten. Deshalb muß er auch für seine Einnahmen keine Steuern bezahlen. Der Staat profitiert trotzdem, weil der Betreiber nicht nur bei Einmannbetrieben einkauft, seine Einnahmen nicht gehortet werden sondern auch in Standgebühren und Investitionen fließen. Sagte ein bekannter Chinese: Es spielt keine Rolle, ob eine Katze schwarz ist oder weiß, Hauptsache sie fängt Mäuse.

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