Kosmos der afrikanischen Dichtkunst

Der Schweizer Publizist und Afrikakenner Al Imfeld hat zu seinem 80. Geburtstag eine umfangreiche Sammlung mit Poesie aus Afrika veröffentlicht: ein Ergebnis seiner lebenslangen Beschäftigung mit dem Kontinent.

Imfeld legt ein gewichtiges Werk vor. Und damit sind nicht die anderthalb Kilo des sorgfältig gefertigten Buches gemeint, sondern die darin versammelten 586 Gedichte in ihrer Originalsprache plus Übersetzung, verfasst von rund 250 Autorinnen und Autoren aus mehr als 40 Ländern des afrikanischen Kontinents. In einem solchen Poesie-Kosmos verliert man sich als Leserin und Leser leicht: Deshalb hat Imfeld versucht, gewisse Ordnung hineinzubringen.Cluster heißen seine Gruppierungen, mit Erläuterungen eingeführt und einer Vignette des ivorischen Künstlers Frédérick Bruly Bouabré geschmückt. Dass 63 Cluster der Übersichtlichkeit nicht gerade förderlich sind, tut weiter nichts zur Sache: Das über 800-seitige Buch will mit Ausdauer erlesen werden, nach Belieben oder Zufall, kreuz und quer oder von vorne nach hinten. So erschließen sich nach und nach die vielseitigen Facetten afrikanischen Dichtens ab 1960.

Und es sollen sich nach dem Wunsch des Herausgebers gleichzeitig Einsichten in die Vielfalt afrikanischer Wirklichkeiten eröffnen, Afrika im Gedicht eben. Auch wenn die Stofffülle groß ist, eine Auswahl, jene Imfelds, war vonnöten und kann hinterfragt werden. Er selbst legt Wert darauf, die Auswahl nicht nur „eurozentrisch“, sondern auch im Austausch mit zahlreichen afrikanischen Poeten und Poetinnen getroffen zu haben. Weiter erklärt er sich der „Makerere-Kultur“ verbunden, nach der „Literatur sozialpolitisch involviert sein müsse“.

Imfeld sieht sein Werk als ein zeitgemäßes Gegenstück zur Négritude-Verherrlichung von Janheinz Jahns „Schwarzer Orpheus“ von 1954 (erweitert 1964), der ersten und bisher auf Deutsch einzigen Sammlung afrikanischer Dichtkunst. Dabei legt er, anders als Jahn, alle Gedichte in der ursprünglichen Sprache vor und ermöglicht so eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Übersetzung. 

„Afrika im Gedicht“ ist das Ergebnis von Imfelds lebenslanger Beschäftigung mit Afrika, insbesondere seiner jahrzehntelangen Sammlung von afrikanischer Poesie, sowie seines eigenen poetischen Wirkens, das in zwölf kleinen Gedichtbänden Ausdruck findet. Der Sohn einer kinderreichen Familie aus einer tiefkatholischen Gegend der Innerschweiz wurde Priester und Missionar und zog in die Welt hinaus. In den USA lenkte die von Martin Luther King angeführte Bürgerrechtsbewegung Imfelds Aufmerksamkeit auf die Geschichte und die Lage der Afrikanerinnen und Afrikaner.

Daraus entwickelte sich seine bis heute andauernde Verbundenheit mit Afrika. Imfeld arbeitete sich sowohl in die Entwicklungsproblematik, als auch in die Agrarfragen ein und war in beiden Bereichen als Berater tätig. Gleichzeitig suchte er als Journalist und Buchautor zwischen den Welten, die er aus eigener Erfahrung kannte, zu vermitteln. Das schlug sich nicht nur in unzähligen Zeitungsartikeln und Radiosendungen nieder, sondern mit der Zeit auch in einer großen Zahl von Sachbüchern zu Literatur, Kunst und Ethik, zur Stellung der Frauen, Politik und Religion, sowie zu Agrarkultur, Hunger und Kulinarik.

Literarische Inspiration gewann Imfeld darüber hinaus in der Welt und in den Menschen seines ländlichen Herkunftsgebietes, deren Eigenarten er in Kurzgeschichten nachzeichnete und mit afrikanischen Gegebenheiten verglich.

Ruedi Küng, InfoAfrika.ch
 

 

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