Der Macht des Geldes auf der Spur

Zwei Sammelbände klären über das Geld- und Kreditwesen auf: Eine anspruchsvolle Lektüre mit teils unkonventionellen Beiträgen.

Mario Draghi flutet Europa mit Geld: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Januar 2015 entschieden, große Mengen Staatsanleihen der Euro-Staaten aufzukaufen – nicht direkt von Staaten zwar, aber von Banken, die alte Anleihen halten. In Deutschland tobt nun ein Sturm der Kritik, weil die Zentralbank indirekt die Staatshaushalte der Euro-Länder finanziere – und das gefährde den Euro. Ganz im Gegenteil, schreibt Michael Hudson in dem Buch „Den Geldschleier lüften!“: Gerade dass die EZB nicht wie jede andere Notenbank Staatshaushalte finanzieren darf, destabilisiere die Euro-Zone. Europas Modell nutze den Reichen und den Geschäftsbanken, betont der kanadische Ökonom. Denn statt Vermögen zu besteuern, liehen es sich Europas Staaten und zahlten dafür Zinsen.

Viele Beiträge in dem Buch werfen erfreulich unkonventionelle Blicke auf das Geld- und Kreditwesen und die jüngsten Finanzkrisen. Die in London lehrende Ökonomin Waltraud Schelke zeigt etwa, dass der Ursprung der Eurokrise im Bankensystem lag, nicht in den Staatshaushalten (außer in Griechenland). Ein Konstruktionsfehler der Eurozone sei, dass dem Währungsraum eine gemeinsame Steuerpolitik fehle. Die Krise sei nur zu bewältigen, wenn die EZB in Krisenzeiten Staatshaushalte stützen dürfe und Schulden teilweise vergemeinschaftet würden.

Lesenswert ist auch Paul Windolfs Beitrag darüber, wie institutionelle Investoren den Kapitalismus verändert haben. Zum Hauptziel der Unternehmensmanager wird es, den Aktienkurs kurzfristig zu steigern; Verlustrisiken werden von Investoren auf Unternehmen verlagert, erklärt er. Einige andere Artikel kommen allerdings recht akademisch daher – etwa die zu der Frage, was Geld eigentlich ist.

Das erklärt der Band „Das dienende Geld“ besser: Das erste Kapitel enthält eine gute und verständliche Einführung in unser Geldwesen. Es erklärt etwa, was unter verschiedenen Geldmengen zu verstehen ist, wie Geld aus dem Nichts geschaffen werden kann und welche Rolle die Geschäftsbanken dabei spielen. In der sehen die Autoren die Hauptursache des Zwangs zu Wirtschaftswachstum. Damit knüpfen sie an eine These des Schweizer Ökonomen Hans-Christoph Binswanger an, die er in dem ersten Sammelband selbst zusammenfasst. Anders als er nehmen sie aber nur das Geldsystem und nicht die produzierenden Unternehmen in den Blick.

Wie man den Wachstumszwang brechen kann, ist die Kernfrage des Buches. Die Antworten sind teils abstrakt, teils etwas schlicht. Sie zielen auf ein grundsätzlich anderes Geldwesen: Wie Binswanger fordern die Autoren, dass Banken nur so viel Geld verleihen dürfen, wie die Zentralbank ausgibt.

Doch sie möchten darüber hinaus etwa Sparzinsen abschaffen, Geld auf eine rein dienende Rolle beschränken und verhindern, dass Kapital und Anteilsscheine frei gehandelt werden. Wie das durchgesetzt werden soll, bleibt im Dunkeln. Bernhard Emunds bezweifelt in „Den Geldschleier lüften“ zudem den ganzen Ansatz: Es sei nicht sinnvoll, Reformen des Geldwesens zu nutzen, um das Wirtschaftswachstum zu dämpfen.

Die Beiträge zu „Den Geldschleier lüften“ sind akademisch solider, und es sind kontroverse Ansätze vertreten. Das Buch ist eine anspruchsvolle Lektüre, aber die meisten Beiträge sind angesichts des schwierigen Themas recht lesbar. Und beide Bücher tragen zur Aufklärung über einen schwer durchschaubaren, aber wichtigen Teil der Wirtschaft bei – die Rolle von Geld und Kredit.

Bernd Ludermann

 

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