Die Anti-Mobilitäts-Maschine

Europa schottet sich ab mit Hilfe der Staaten, aus denen oder durch die Zuwanderer kommen. Der britische Ethnologe Ruben Andersson untersucht präzise und mit einem originellen Zugang, wer an diesem Unternehmen mitwirkt und daran verdient.

Andersson konzentriert sich darauf, wie seit 2006 unter Spaniens Führung der westliche Weg über das Mittelmeer geschlossen wurde. Dazu, so seine These, wurde eine „Illegalitäts-Industrie“ geschaffen. Die spanische und senegalesische Polizei und die europäische Grenzagentur Frontex wirken daran mit, aber auch Firmen, die zum Beispiel Überwachungstechnik verkaufen, Forschungseinrichtungen, Hilfsorganisationen und Journalisten – und natürlich Schleuser sowie Migranten. Sie alle kommen in dem Buch zu Wort. Das vermittelt ein anschauliches Bild, nicht zuletzt von der Absurdität des Unterfangens.

Besonders wertvoll sind die Einblicke in Denk- und Arbeitsweisen der Sicherheitskräfte. Spanien habe die Polizei des Senegal gekauft und dazu die Schleuser überbieten müssen, schildert Andersson. Um ihren Einsatz gegen die Migration nachzuweisen, inszenierten afrikanische Polizisten ihn nun. Und da es auf der Westroute weniger Migranten gibt, werde die Definition ausgeweitet, um die Erfolgszahlen zu erhöhen. Im Ergebnis verlagere Europa seine Grenzen nach Süden und schaffe dort „Grenzräume“, in denen die Unterschiede zwischen legal und illegal verwischen und wachsende Zahlen von Menschen „Schattenexistenzen“ führen.

Das folgt laut Andersson keinem großen Plan. Sondern die Beteiligten – Firmen, Behörden, Forschungseinrichtungen – folgten eigenen Interessen und ihrer institutionellen Logik. Ihr Zusammenwirken lasse eine „Anti-Mobilitäts-Maschine“ entstehen, die Migranten zum Sicherheitsrisiko stilisiere. Sie erzeuge Illegalität und lebe davon. Aber die Zuwanderung nach Europa werde so nicht verringert, sondern nur auf neue Routen verlagert, argumentiert Andersson.

Das Buch ist streckenweise fesselnd, an anderen Stellen etwas langatmig; die analytischen Passagen sind nicht immer leicht verdaulich. Aber es ist wichtig und macht überzeugend deutlich, was Europa in seiner Nachbarschaft anrichtet.             

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