Handel als Mittel, nicht als Ziel

Christian Felber legt sich gerne mit Industriebossen und Wirtschaftswissenschaftlern an. Nun hat sich der Verfechter der Gemeinwohlökonomie die klassischen Nationalökonomen Adam Smith und David Ricardo vorgeknöpft – und liefert Argumente für Freihandelskritiker.

Adam Smith übertrug im 18. Jahrhundert die Vorteile der arbeitsteiligen Gesellschaft auf die Weltwirtschaft und begründete damit die Theorie des Freihandels. David Ricardo wiederum konzentrierte sich auf die Wohlfahrt grenzüberschreitender Tauschprozesse  und ließ dabei Aspekte wie Gesundheit oder Demokratie außer Acht. Dennoch, kritisiert Christian Felber, werden ihre Theorien noch immer als „Kronjuwel der Außenhandelstheorie“ angesehen. Vor allem Ricardos Erkenntnisse gälten in der Welthandelsorganisation WTO „als mächtigste Einzelerkenntnis der ökonomischen Wissenschaft“. Kein Wunder also, dass Themen wie Verbraucherschutz, Klimaschutz, Gesundheit oder Arbeitsstandards von der Welthandelsorganisation als „Handelshemmnisse“ verdammt würden. „Ihr geht es nicht um das gute Leben, sondern allein um den freien Handel“, wettert Felber, „und sie beruft sich dabei auf Ricardo“.

Gegen diese von ihm kritisierte Ideologie setzt Christian Felber das Konzept des Ethischen Welthandels. Handel sei kein Ziel der Wirtschaftspolitik, sondern ein Mittel, um übergeordnete Politikziele zu erreichen wie  die umfassende Umsetzung der Menschenrechte, eine global nachhaltige Entwicklung, sozialer Zusammenhalt, gerechte Verteilung oder kulturelle Vielfalt. Der Aktivist und Autor sieht sich damit eins mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, in dem festgelegt ist, dass offener Handel kein Selbstzweck ist. Gleichzeitig deckt Felber Mechanismen auf, mit denen Gegner des unbeschränkten Freihandels desavouiert werden: Schon mit dem Wörtchen „frei“ werde etwas Positives signalisiert, denn jeder Gegner sei damit ein Feind der Freiheit. Wer Alternativen vorschlägt, werde schnell des Protektionismus beschuldigt und an das Scheitern des Kommunismus erinnert. Als Beispiel, dass es auch ohne Freihandel geht und das gute Leben  messbar ist, dient Felber das Himalayakönigreich Bhutan, das sich bekanntlich am Bruttonationalglück orientiert und den Beitritt zur WTO verweigert hat.

Doch auch die erfolgreichen kapitalistischen Staaten haben den größten Entwicklungsschub ihrer Geschichte während einer Zeit der Abschottung und des Protektionismus erreicht: von den USA bis zu den asiatischen Tigerstaaten. Dass diese Chance heute weniger entwickelten Ländern verweigert werde, habe dazu geführt, dass die ungeschützten Ökonomien der Konkurrenz der ungleich stärkeren Handelspartner ausgeliefert seien.

Der Autor und Aktivist will der Bevölkerung ausdrücklich zu mehr realem Mitspracherecht gegenüber Konzernmacht und Freihandelsideologie verhelfen. Als Gegenmodell entwirft er einen „souverän-demokratischen Prozess“ mit voller Transparenz und Volksabstimmung.

Man mag die Durchsetzbarkeit von Felbers Gemeinwohlökonomie in Zweifel ziehen. Doch seine Kritik hat Hand und Fuß. Dieses Buch gibt auch all jenen, die wenig von Wirtschaft verstehen und ihr diffuses Unbehagen nicht wissenschaftlich untermauern können, eine wertvolle Argumentationshilfe an die Hand.

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