Chorsingen als Lebenselixir

Dieser deutsche Dokumentarfilm schildert am Beispiel einiger tiefgläubiger Sänger die Geschichte von drei enthusiastischen Chören, die in Tansania an einem großen evangelisch-lutherischen Gesangswettbewerb teilnehmen. 

Seit 1954 versammeln sich evangelische Chöre im Norden Tansanias alle zwei Jahre zu einem großen Wettbewerb, bei dem sie auf Suaheli mindestens ein Lied des Reformators Martin Luther vortragen. Lutherische Chöre als Massenbewegung in Tansania? So verwunderlich ist das nicht, gehörte das heutige Tansania doch mit Ruanda und Burundi von 1895 bis 1918 zur Kolonie Deutsch-Ostafrika. Unter deutscher Herrschaft waren hier etliche deutsche Missionare im Einsatz, zum Teil brachten sie den einheimischen Massai die importierte Religion mit eindringlichem Chorgesang nahe. Das wirkt bis heute nach.  

Die Autorin und Regisseurin Julia Irene Peters besuchte 2005 eher zufällig Tansania, lernte einige Chöre kennen und war fasziniert. Mit ihrer Ko­regisseurin Jutta Feit stellt sie in ihrer Dokumentation je zwei führende Mitglieder aus drei Chören vor, die alle eine leidenschaftliche Liebe zum Singen und zur Musik eint. „Singen macht glücklich“, diesen Satz hört man mehrmals im Film. Und es lässt sich nicht übersehen: Das Chorsingen bringt Lebensfreude, ermöglicht Geselligkeit und stärkt den Zusammenhalt.

Das gilt auch für das arme Kleinbauernpaar Martha Simon Mollel und Simon Nyangusi Mollel, das auf einem einsamen Hof Vieh züchtet und im Neema-Chor singt. Obwohl die beiden nur ein geringes Einkommen erzielen und schon fünf Kinder haben, haben sie zwei junge Söhne von Verwandten aufgenommen. Dagegen führen die Eheleute Maria Evarest und Evarest Mollel (gleicher Name, aber keine Verwandtschaft) in der Großstadt Arusha eine Autowerkstatt mit angeschlossenem Ersatzteilhandel und wohnen mit ihren Kindern und Bediensteten in einem großzügigen Haus in einem Mittelstandsviertel. Sie haben vor zwanzig Jahren mit Freunden den A-cappella-Chor Cantate gegründet, der sich einen professionellen Chorleiter leisten kann: Kelvin Gospel und Nuru Masunga haben zusammen mit ihrem Freund Emmanuel in ihrer Jugend in Arusha den Jugendchor Kanaani gegründet, mit dem sie viel Zeit verbringen. Kelvin dreht mit den tanzfreudigen Chormitgliedern auch schicke Videos.

Die Kamera begleitet die drei Chöre und die Protagonisten zu den regelmäßigen Proben, mit denen sie sich auf die nächste Runde des mehrstufigen Wettbewerbs vorbereiten, an dem sich über tausend Chöre mit Tausenden Sängern beteiligen. Sie alle müssen jeweils einen alten europäischen Kirchenchoral – dieses Jahr ist es Luthers „Eine feste Burg ist unser Gott“ – und eine Eigenkomposition vortragen. 

Die Erklärungen der beiden Juroren zu den Bewertungskriterien in drei Kategorien bilden den roten Faden in der Erzählung, die manchmal etwas willkürlich zwischen den Schauplätzen und Protagonisten hin- und herspringt. Zwischen den Aufnahmen von Proben und Auftritten der drei Chöre liefert die Regie im Off-Kommentar hilfreiche Zusatzinformationen. So erfahren wir, dass gut ein Drittel der rund 50 Millionen Einwohner Tansanias Christen sind. Zudem werden immer wieder Beobachtungen aus dem Alltag der sechs Sänger eingeflochten, die die Lebenswirklichkeit im fünftgrößten afrikanischen Land illustrieren. 

Dabei wird auch das eklatante Wohlstandsgefälle sichtbar: Martha und Simon marschieren zu Fuß zur Wettkampfstätte, Maria und Evarest fahren mit ihrem Auto und Kelvin und Nuru im angemieteten Bus der Gruppe. Wenn die Chöre dort auftreten, sieht man aber den strahlenden Gesichtern an: Hier geht es nicht nur ums Gewinnen, sondern um geteilte Lebensfreude durch eine musikalische Praxis, die christlichen Glauben, europäischen Chorgesang und afrikanische Kulturtraditionen.

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