Von Fake News und Inszenierungen 

Die in Moskau geborene US-Autorin Masha Gessen beschreibt, mit welchen Methoden Präsident Donald Trump demokratische Institutionen, politische Gegner und unabhängige Medien bekämpft. Sie sieht ihn als Autokraten in einer Reihe mit Putin, Bolsonaro oder Duterte. 

Masha Gessen: Autokratie überwinden. Aufbau-Verlag, Berlin 2020, 300 Seiten, 20 Euro
Masha Gessen beginnt mit einer beklemmenden Einordnung: Der Umgang des US-Präsidenten mit der Corona-Pandemie reihe sich ein in eine schleichende Entwicklung, nach der US-Präsidenten Ausnahmezustände  – vom Amerikanischen Bürgerkrieg bis zur Terrorbekämpfung nach dem 11. September – nutzten, um sich mehr Machtbefugnisse zu verschaffen.  Trump sei allerdings der erste, der das „amerikanische politische System selbst zerstören“ wolle. Er nutze unter anderem die Corona-Krise, um seine autokratische Agenda weiter durchzusetzen. Die Verachtung des US-Präsidenten für Regierungsarbeit und politische Eliten in einem demokratischen System zeige sich an der Zusammenstellung seines erklärtermaßen antiintellektuellen Kabinetts. Ämter würden in seiner Regierung zudem hauptsächlich zur Vermehrung von Reichtum genutzt, wie er selbst es etwa mit seinen Trump-Hotels vormache. Denn er bedränge immer wieder Gäste aus Politik und Lobbykreisen, dort abzusteigen.

Im zweiten Teil des Buches befasst sich Gessen mit Trumps Tweets. Er habe politischen Begriffen zum Schaden seiner Gegner neue Deutungen zugeschrieben. Der Begriff „Fake News“ etwa bezeichnete bis 2016 „falsche Nachrichten“ von Websites wie dem weit rechts stehenden Breitbart-News Netzwerk. Dann begann Trump, Presseberichte, die er als zu kritisch empfand, „Fake News“ zu nennen. Er inszenierte sich als Opfer der Medien, die ihn bei einer Lüge ertappt hatten, und drehte den Spieß um, indem er sie als „Lügner“ bezeichnete. 

In Teil drei schließlich spürt die Autorin den tiefen Rissen in der Gesellschaft der USA nach und sucht nach einem „Wir“, das auch Eingewanderte mit einbezieht. Nur wenn man etwa Trumps Menschenrechtsverletzungen an der Mauer zu Mexiko wie die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez als „unrecht und unamerikanisch“ anprangere und die demokratischen In­stitutionen stärke, lasse sich der autokratische Versuch des Präsidenten noch stoppen, betont Gessen. Eben diesen Versuch, die multikulturelle Einwanderungsgesellschaft der USA in eine von weißen Männern beherrschte Nation zurückzuverwandeln, vergleicht Gessen mit Herrschaftsmerkmalen der Präsidentschaften von Rodrigo Duterte auf den Philippinen, Jair Bolsonaro in Brasilien und Wladimir Putin in Russland. So fördere Trumps Einteilung der Gesellschaft in „Amerikaner“ und „Immigranten“ Hassverbrechen in ähnlicher Weise wie Dutertes Aufruf zur Tötung von Drogenkonsumenten oder Putins Angriffe auf politische Gegner.  

Als Gegenstrategie legt die russisch-amerikanische Autorin ihren Leserinnen und Lesern ans Herz, Begriffe zu hinterfragen, Position zu beziehen und die demokratischen Institutionen zu stärken, so wie das beispielsweise die Dissidenten im totalitären Polen oder auch im Südafrika der Apartheid getan hätten. 

Gessen analysiert brillant und bezieht klar Position. Sie schreibt anschaulich und belegt alle Beispiele mit Quellen. Nach der Lektüre ihres Buches lassen sich auch die Ereignisse nach der Ermordung von George Floyd im Mai einordnen. Lesenswert für alle politisch Interessierten!


 

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