Ägyptens Alpträume

Den vom Verlag beworbenen großen Roman zum zehnten Jahrestag der „Arabellion“ in Ägypten hat der erfolgreiche ägyptische Autor Alaa al-Aswani zwar nicht geschrieben. Aber er setzt den mutigen Aktivisten von damals ein literarisches Denkmal. 

Alaa al-Aswani: Die Republik der Träumer. Hanser Verlag, München 2021, 464 Seiten, 25 Euro

Alaa al Aswani zählt zu den bekanntesten arabischen Autoren der Gegenwart. 1957 geboren, arbeitete er lange Zeit als Zahnarzt, seine Praxis lag in der Nähe des Tahrir-Platzes in Kairo. Als Mitglied der Kifaya-Bewegung, die sich für eine Demokratisierung Ägyptens einsetzt, engagierte er sich in der Opposition gegen Ex-Präsident Husni Mubarak; seit 2018 lebt er im Exil in New York. 

In seinem Roman beschreibt Aswani die Zeitspanne zwischen dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 und dem Militärputsch gegen Mohammed Mursi, den gewählten Präsidenten der Muslimbrüder, im Sommer 2013. Damals lebte er noch in Kairo, er war 2011 bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz mit dabei. Er erzählt, wie damals vor allem junge Menschen den friedlichen Wandel herbeisehnen, aber von Anfang an keine Chance haben. Denn die Brutalität der Militärs, die Engstirnigkeit der Muslimbrüder und der Opportunismus führender Kreise zerreiben die aufkeimende Revolution. 

Die Romanfigur der karrieregeilen Fernsehmoderatorin Nurham verkörpert in der Geschichte den Opportunismus führender Kreise. Die junge Medizinstudentin Dania, ihr Freund Chaled und die Lehrerin Asma kämpfen dagegen für ein neues Ägypten und bezahlen teuer dafür: Chaled wird erschossen, Asma wird gefoltert und geht ins Exil, Dania resigniert.Aswani gibt aufrüttelnde Einblicke in die Hoffnungen der jungen Aktivisten und die Widerstände, mit denen sie auch in ihren eigenen Familien zu kämpfen haben. Er beschreibt die Brutalität der Sicherheitskräfte, vor allem gegen Frauen. Diese Passagen zu lesen ist hart, in der epischen Beschreibung sexualisierter Gewalt wirken sie fast schon voyeuristisch. Aswani erzählt, wie die Militärführung und staatlich gelenkte Medien von Anfang an alle Aktivisten als „Feinde des Landes“ einstufen und große Teile der Bevölkerung diese Propaganda glauben.

Manche seiner Figuren bewegen sich aber am Rande des Kitschs und sein Frauenbild ist seltsam. So findet der Kopte Ashraf Wissa über die Revolution seine Geliebte, das Dienstmädchen Ikram, die anders als die bourgeoise Ehefrau seine sexuellen Wünsche erfüllt und das „gute, wahre Ägypten“ verkörpert. Oder auch der bigotte General, der fromm tut und heimlich Pornos schaut: Sie könnten auch aus einer Netflix-Serie stammen. „Die Republik der Träumer“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Der Roman setzt den mutigen Aktivisten ein Denkmal, wird aber der gescheiterten ägyptischen Revolution insgesamt nicht gerecht.

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