Hierarchie zwischen Frauen

Djaïli Amadou Amal: Im Herzen des Sahel. Orlanda Verlag, Berlin 2023, 256 Seiten, 22 Euro

Djaïli Amadou Amal räumt in ihrem Roman "Im Herzen des Sahel" mit idealisierten Vorstellungen von Solidarität unter Frauen gründlich auf. Ihre junge Protagonistin wird als Hausmädchen systematisch ausgebeutet.

Der zweite Roman der kamerunischen Autorin Djaïli Amadou Amal spielt wie ihr erster im Norden ihres Heimatlandes und thematisiert das Leben der dortigen Frauen. Die Schriftstellerin präsentiert dabei keine simple Geschichte von allesamt unterdrückten Geschlechtsgenossinnen. Es geht um die Hierarchie zwischen Frauen unterschiedlicher sozialer Klassen.

Denn die städtische Elite delegiert die gesamte Hausarbeit an junge Mädchen aus armen ländlichen Familien, die trotz des Reichtums ihrer Dienstherrinnen nur einen Hungerlohn erhalten. Auch ethnische und religiöse Unterschiede tragen zur Rechtfertigung der Hierarchie in den privaten Haushalten bei. Islamische Fulbe-Frauen betrachten sich selbst als etwas Besseres und schauen auf nicht islamische Mädchen anderer Ethnien herab. Obwohl etliche der jungen Dorfbewohnerinnen christlich erzogen wurden und auch zu Grundschulen gegangen sind, gelten sie aus der Sicht der Hausherrinnen als unzivilisiert und ungebildet.

Das bekommt die Protagonistin Faydé zu spüren. Wie viele Teenager in dem Dorf, aus dem sie kommt und das von der islamistischen Boko Haram bedroht wird, muss sie zum Familienunterhalt beitragen. Die mageren Erträge ihrer Mutter, einer Bäuerin, reichen nicht, ihr Vater wurde von Boko Haram verschleppt und ist seitdem verschollen. 

Faydé landet in einem polygamen Haushalt mit drei Ehefrauen

Die Autorin beschreibt die Probleme aus der Sicht des Mädchens und seiner Mutter, die selbst in jungen Jahren als Hausangestellte arbeiten musste und ihre Tochter vor allem vor Vergewaltigungen durch die jeweiligen Hausherren und daraus resultierenden Schwangerschaften bewahren will. Mangels Alternativen lässt sie ihre Tochter dann doch in die Stadt ziehen. Dort landet Faydé in einem polygamen Haushalt mit drei Ehefrauen, deren Charakter und Auftreten von autoritär, aber gerecht bis zu bösartig reichen. Hinzu kommt die bissige Mutter des Hausherrn sowie eine verzogene Enkelin – ein Teenager, dessen Lebensinhalt sich im Protzen vor ihren Freundinnen erschöpft. Trotz des opulenten Wohlstands vergällen sich die Frauen untereinander das Leben; ihre Launen lassen sie auch am Dienstpersonal aus. Allerdings treten auch junge Männer im Haushalt herrisch gegenüber männlichen Dienstboten auf und demütigen diese. 

Anhand vieler Dialoge veranschaulicht Amal auch diese Dimensionen der hierarchischen Geschlechterrollen in einer reichen westafrikanischen Großfamilie, die sich als streng islamisch inszeniert. Auch die Autorin selbst kommt aus der Fulbe-Gesellschaft, der sie einen Spiegel vorhält. Unverblümt benennt sie die Kluft zwischen der Moral und der Sorge um den guten Ruf einer Familie einerseits und dem praktizierten Fehlverhalten andererseits, beispielsweise Ehebruch und Zeugung außerehelicher Kinder.

Der Roman ist gut verständlich und nicht nur für Westafrika-Interessierte von Interesse. Denn er beschreibt gesellschaftliche Spannungen in einem Konfliktland und illustriert, wie privilegierte Frauen zum Erhalt von Hierarchien beitragen, obwohl sie selbst zwangsverheiratet wurden und darunter gelitten haben. So bietet er auch Anlass, über Schlagworte der feministischen Entwicklungspolitik nachzudenken.

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