In ihrem sehr persönlichen Dokumentarfilm beleuchten Lina Vdovîi und Radu Ciorniciuc die Folgen von Gewalt und Ausbeutung. Die Journalistin aus Moldau und ihr rumänischer Ehemann reisen nach Italien, um ihrem einstmals gewalttätigen Vater zu helfen, der nun selbst von seinem Arbeitgeber misshandelt wird.
Der Film beginnt damit, dass die moldauische Investigativjournalistin Lina Vdovîi überraschend eine Videobotschaft von ihrem Vater Pavel bekommt, der vor 25 Jahren ins Ausland gegangen ist, um mehr Geld für die Familie zu verdienen. Das Video zeigt blaue Flecke und Blutergüsse auf Pavels Armen und an seinem Hals, die ihm sein brutaler Arbeitgeber, ein Weingutbesitzer, zugefügt hat. Mit verzweifelter Stimme bitte er Lina um Hilfe. Sie zögert, denn sie hat mit 18 Jahren Familie und Land verlassen und lebt in Rumänien, weil der Vater sie, ihre beiden Schwestern und ihre Mutter immer wieder schlug. „Um ohne Angst zu leben, mied ich den Kontakt zu ihm“, sagt Lina aus dem Off in dem Dokumentarfilm, den sie mit ihrem rumänischen Ehemann Radu Ciorniciuc realisiert hat.
Um den Film zu drehen, fährt sie mit ihm zusammen nach Italien, wo Pavel seit zwölf Jahren für einen Winzer arbeitet, der ihn systematisch ausbeutet. Dort sagt Pavel über seinen Peiniger: „Er missbraucht mich, physisch, moralisch, geistig und finanziell.“ Lina und Radu wollen Pavel helfen, diesen Fall moderner Sklavenarbeit öffentlich zu machen und abzustellen. Der Arbeitsmigrant hat zwar sichtlich Angst vor seinem Arbeitgeber, lässt sich aber von Lina und Radu mit einer versteckten Kamera ausstatten, die die Gewaltausbrüche aufzeichnet. Mit diesen Dokumenten gehen Vater und Tochter zu einem Anwalt, der einen Strafprozess in die Wege leitet.
Parallel dazu versucht Lina, die Wurzeln der familiären Gewalt aufzudecken. Sie hört sich die Opferberichte ihres Vaters an und erzählt im Gegenzug, wie sehr sie unter seiner Gewalttätigkeit gelitten hat. Bei einer intensiven Aussprache räumt der Vater Fehler ein und bittet die Tochter um Entschuldigung. Doch seine Einsicht ist begrenzt: Um sich zu rechtfertigen, verweist er auf die Übergriffe seines eigenen Vaters. Als er nach Moldau zurückkehrt, drangsaliert er wie eh und je seine Frau, die eine Krebserkrankung überlebt hat und ihn nach wie vor fürchtet. Bei einem Familienbesuch stellt sich obendrein heraus, dass auch Pavels Bruder seine Frau schlägt.
Täter werden zu Opfern und Opfer zu Tätern
Einmal erzählt die Regisseurin, dass ihr erster Ehemann sie nach fünf Monaten verlassen hat, weil er sie „gemein, manipulativ, kontrollierend und missbräuchlich“ fand. „Nachdem ich meine ganze Kindheit hindurch gebetet hatte, kein Opfer wie meine Mutter zu sein, wurde ich zur Täterin, genau wie mein Vater, und benahm mich tatsächlich gemein, manipulativ, kontrollierend und missbräuchlich“, enthüllt Lina freimütig. Spätestens seit sie nun schwanger ist, will sie den Teufelskreis der häuslichen Gewalt über Generationen hinweg durchbrechen.
Der Film erzählt von Konstellationen, in denen Täter zu Opfern und Opfer zu Tätern werden, in einer geschickten Montage von Sequenzen, die zwischen Moldau, Rumänien und Italien wechseln. Immer wieder werden Ausschnitte aus alten VHS-Videokassetten gezeigt, die die Familie zum Vater nach Italien schickte. Die Bilder mit fröhlichen Kinderliedern und stolz vorgezeigten Schulzeugnissen aus einem der ärmsten Länder Europas wirken dabei seltsam gestellt und unecht, so als ob sich unter ihrer Oberfläche eine latente Furcht verbirgt.
Trotz alldem ist „Tata“ keine deprimierende Chronik überkommener patriarchalischer Denkstrukturen und Verhaltensmuster. Vielmehr entlässt der mehrfach preisgekrönte Film die Zuschauenden mit Signalen der Hoffnung und Heilung. So begegnet Lina ihrer schwerhörigen Großmutter, die dreimal verheiratet war, ohne dass ihre Männer sie geschlagen hätten. Weise lächelnd verweist sie auf ihren Abschluss in Psychologie: Sie habe gewusst, wie sie die Männer in ihrem Sinne steuern konnte. Pavel wiederum kann sich schließlich aus seiner Situation befreien: Sein Peiniger stimmt einem gerichtlichen Vergleich mit einer Zahlung von Schmerzensgeld zu.
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