Vorerst keine Budgethilfe mehr für Ruanda

Das Entwicklungsministerium (BMZ) hat seine Hilfe für Ruanda teilweise ausgesetzt. Begründung: Die Regierung in Kigali unterstütze ruandische Rebellen im Ostkongo. Minister Dirk Niebel stoppt indes nur die direkte Budgethilfe; die Projektarbeit läuft weiter.

Nicht zufällig stand Ruanda auf der Liste der Länder, die Niebel als frisch gekürter Entwicklungsminister im Januar 2010 zuerst besuchte. Das kleine Land sei – anders als der Nachbar Kongo – nach dem Horror des Völkermords von 1994 zu einem „entwicklungsbezogenen Vorzeigeland“ geworden, lobte Niebel damals. Das erlaube es auch, erklärte der Minister seither immer wieder, dass Ruanda auch deutsche Budgethilfe erhalte – Geld, das direkt dem Staatshaushalt zufließt und von der Regierung des Partnerlands eigenständig ausgegeben wird.

Wo immer möglich bevorzugt der Minister ansonsten bilaterale Hilfe, die direkt in einzelne Projekte fließt und das deutsche Engagement sichtbarer macht, wo­rauf Niebel großen Wert legt. Kritiker sprechen von Projektitis. Bei den letzten deutsch-ruandischen Regierungsverhandlungen Ende 2011 wurden als Schwerpunkte der Zusammenarbeit Dezentralisierung sowie Wirtschaftsentwicklung und berufliche Bildung vereinbart. Die Budgethilfe sollte der Umsetzung der nationalen ruandischen Armutsbekämpfungsstrategie dienen.

Doch damit ist jetzt Schluss. Wie auch die Niederlande, Dänemark und Großbritannien legte das Entwicklungsministerium diesen Teil der Hilfe auf Eis: 21 Millionen von 60 Millionen Euro, die für die Jahre 2012 bis 2015 zugesagt waren. Die USA strichen ihre Militärhilfe. Grund ist ein UN-Bericht, wonach ruandische Regierungsstellen und hohe Militärs die aus der kongolesischen Armee ausgescherten M23-Milizen im Ostkongo unterstützen. Diese rücken seit Anfang Juli von der Grenze zu Ruanda aus auf die lokale Metropole Goma vor. Sie bekämpfen nicht nur die kongolesischen Regierungstruppen, sondern üben laut Organisationen wie Amnesty International oder Oxfam auch erhebliche Gewalt gegen Zivilpersonen aus. Auch reguläre ruandische Soldaten sollen an den Kämpfen beteiligt sein. Die M23-Kämpfer gelten zudem als Anhänger des früheren Rebellenführers Bosco Ntaganda, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesucht wird, unter anderem wegen der Anstiftung zu Massenvergewaltigungen und der Rekrutierung von Kindersoldaten. Hunderttausende sind im Ostkongo auf der Flucht.

Autor

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Das sind gute Gründe, Hilfsgelder auszusetzen, zumal das BMZ das eigene Engagement erst unlängst an einen „Menschenrechts-TÜV“ gekoppelt hat. Die ruandische Regierung habe die Chance nicht genutzt, die „schwerwiegenden Vorwürfe zu entkräften“, heißt es im Entwicklungsministerium. Der Stopp der Budgethilfe sei ein „unmissverständliches Zeichen“, dass man das erwarte.

Doch wie stichhaltig die Vorwürfe gegen die ruandische Regierung und den bislang auch von Deutschland stark geförderten Präsidenten Paul Kagame sind, ist schwer auszumachen. In einem Antwortschreiben auf den UN-Bericht, aus dem die Tageszeitung „taz“ zitierte, weist die ruandische Regierung in Kigali die Vorwürfe zurück. Der Bericht enthalte „zweifelhafte Behauptungen“, sei „stark fehlerhaft“ und stütze sich nur auf kongolesische Quellen. Unter anderem hatte Kongos Präsident Joseph Kabila erklärt, es sei ein „offenes Geheimnis“, dass Ruanda die rebellierenden Kräfte unterstützt. Derweil schließt auch Kigali nicht aus, dass M23-Kämpfer von ruandischen Bürgern oder ruandischsprachigen Offizieren der kongolesischen Armee rekrutiert worden sein könnten.

Die ruandische Regierung reagierte empört auf die Geldstopps aus Deutschland und anderen Geberländern: „Solange Länder mit Scheckbüchern wedeln, können wir niemals gleich sein“, sagte die ruandische Außenministerin Louise Mushikwabo. Diese „Eltern-Kind-Beziehung“ müsse enden. Derweil läuft die deutsche projektgebundene Hilfe wie gehabt weiter. Offene Fragen hin, Menschenrechts-TÜV her.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2012: Südliches Afrika: Wohlstand nur für wenige
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