„Die medizinische Grundversorgung soll garantiert werden“

Vor fünfzehn Jahren hatte Simbabwe eines der besten Gesundheitssysteme in Afrika. Doch dann zwangen der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank die Regierung zu gravierenden Einsparungen; Korruption, die Selbstbereicherung der Elite um Präsident Robert Mugabe und die rasche Ausbreitung von Aids brachten das System zum Zusammenbruch. Itai Rusike vom gesundheitspolitischen Netzwerk CWGH glaubt, dass ein Wiederaufbau gelingen kann.

Wo fehlt es am meisten in der Gesundheitsversorgung in Simbabwe?

Es gibt überall große Mängel. Die Geräte in den Krankenhäusern sind veraltet, wir haben zu wenige Medikamente, nicht genügend Krankenwagen -es ist fast unmöglich, in Simbabwe einen Patienten zu transportieren. Es fehlt an Krankenschwestern, medizinisch-technischen Assistenten, Ärzten und insbesondere an Spezialisten. Ein Arzt in Simbabwe verdient ungefähr 220 US-Dollar im Monat, eine Krankenschwester nur 150 US-Dollar. Davon kann man seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten.

Welche Krankheiten machen Ihnen am meisten Sorgen?

Die meisten Menschen in Simbabwe sterben an Aids, Malaria und Tuberkulose - in dieser Reihenfolge. Leider sterben bei uns viele Menschen an Krankheiten, die in anderen Ländern noch nicht einmal existieren: 2008 und 2009 haben sich hunderttausend Menschen mit Cholera infiziert, von denen 4000 gestorben sind. Auch Typhus und Masern sind bei uns typische Krankheiten. Viele Menschen sterben an Krankheiten, deren Behandlungskosten sehr hoch sind, wie Krebs oder Diabetes. Eine Nierendialyse kostet zum Beispiel 500 US-Dollar pro Woche. Die Mehrheit der Bevölkerung in Simbabwe verdient aber weniger als 200 US-Dollar im Monat.

Wie hat die Regierung auf die Cholera-Epidemie reagiert?

Es wurde viel in den Ausbau sanitärer Anlagen und die Reinigung des Trinkwassers investiert, um neue Ausbruchswellen zu verhindern. Trotz Hilfe aus dem Ausland standen jedoch nicht genug Finanzmittel zur Verfügung. Es gibt immer noch Fälle von Cholera, aber jetzt wesentlich weniger.

Wie erfolgreich war der Kampf gegen Aids bisher?

Im Vergleich mit anderen Ländern, wie Südafrika oder Botswana, hat Simbabwe deutlich besser abgeschnitten. Und diese Länder hatten erheblich mehr Mittel zur Verfügung. Die Neuinfektionsrate lag 1995 noch bei 34 Prozent, mittlerweile ist sie auf 13,7 Prozent gesunken. Das ist, glaube ich, ein vorzeigbares Ergebnis. Trotz allem sterben wöchentlich mehr als tausend Menschen an Aids oder an dadurch ausgelösten Krankheiten. 570.000 Menschen benötigen derzeit dringend eine Therapie mit antiretroviralen Medikamenten, aber nur 40 Prozent von ihnen sind in Behandlung.

Was sollte passieren, damit Gesundheitsdienste für alle zugänglich werden?

Simbabwe arbeitet derzeit an einer neuen Verfassung, die nächstes Jahr in Kraft treten soll, so sieht es das Regierungsabkommen von 2008 vor. Wir treten dafür ein, dass das „Recht auf Gesundheit" in dieser Verfassung gesetzlich festgelegt wird. Jedem Bürger in Simbabwe soll eine medizinische Grundversorgung garantiert werden. Derzeit ist die Situation leider so, dass eine schwangere Frau von einer Klinik abgelehnt wird, wenn sie die Geburtshilfe nicht bezahlen kann. Es gibt Krankenhäuser für arme Menschen, aber selbst dort kostet eine einfache Behandlung zwischen 10 und 20 US-Dollar. Auch wenn das nicht viel Geld ist, gibt es zu viele, die das nicht bezahlen können. Von diesen Kliniken gibt es außerdem viel zu wenige und Patienten müssen große Entfernungen zurücklegen, um ein Krankenhaus zu erreichen.

Was tun Sie, damit ein solches Recht auf Gesundheit geschaffen wird?

Wir haben die erste Version unseres Gesetzesvorschlags bei den Parlamentariern vorgelegt, die die neue Verfassung erarbeiten. Außerdem arbeiten wir mit zahlreichen Organisationen, die sich im Gesundheitsbereich engagieren, zusammen. Wir haben sie davon überzeugt, dass sie unser Anliegen unterstützen, und gemeinsam haben wir dann die Inhalte erarbeitet.

Präsident Robert Mugabe ist dafür bekannt, dass er Hilfsorganisationen Steine in den Weg legt. Können Sie Ihrer Arbeit ungehindert nachgehen?

Die Möglichkeiten für zivilgesellschaftliches Engagement sind nach wie vor eingeschränkt. Es gibt einige Regionen des Landes, in denen es für nichtstaatliche Organisationen fast unmöglich ist, zu arbeiten. Unser Netzwerk sieht die Regierung nicht als Bedrohung an, weil wir ausschließlich im Gesundheitssektor tätig sind. Sie haben mehr Angst vor Bewegungen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen, Fragen der Meinungsfreiheit oder anderen regierungskritischen Themen auseinandersetzen. Aber trotzdem ist es auch für uns manchmal sehr schwer, unsere Arbeit zu machen, weil es so viele bürokratische Hindernisse gibt.

Seit Februar 2009 regieren die Partei von Robert Mugabe, Zanu-PF, und die ehemalige Oppositionspartei MDC (Movement for Democratic Change) in einer Koalition das Land. Was hat sich seitdem verändert?

Simbabwes Wirtschaft ist in den vergangenen anderthalb Jahren etwas stabiler geworden, die Versorgung mit Lebensmitteln hat sich verbessert und Teile der Infrastruktur wurden wieder aufgebaut. Viele Haushalte verfügen nun wieder über fließendes Wasser und Strom. Alles hat sich ein wenig verbessert, aber die Fortschritte halten sich immer noch ziemlich in Grenzen.

Kooperieren Sie mit Ihrem Gesundheitsminister?

Der Gesundheitsminister Henry Madzorera gehört der MDC an. Er arbeitet eng mit der Zivilgesellschaft zusammen und erkennt uns als Partner an. Doch für die MDC ist es schwierig zu handeln, weil sie keine finanzielle Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft erhält. Die Angst ist immer noch zu groß, dass das Geld veruntreut und für andere Zwecke ausgegeben wird. Wir denken, dass es jetzt an der Zeit wäre, diese Regierung zu unterstützen, damit sie die Hoffnungen der Bevölkerung erfüllen kann.

Immer mehr Ärzte und medizinisches Fachpersonal verlassen das Land. Was kann dagegen getan werden?

Dagegen kann sehr viel getan werden. Dabei geht es nicht nur um Geld. Die Regierung kann auch andere Anreize schaffen. Sie kann den Ärzten zum Beispiel Land zur Verfügung stellen, auf dem sie sich Häuser bauen können. Auch ein Auto könnte den Arbeitsalltag eines Arztes deutlich erleichtern, da unser öffentlicher Nahverkehr noch immer nicht gut ausgebaut ist. Wir können darüber hinaus die Menschen ausbilden, die sich derzeit ehrenamtlich im Gesundheitssektor engagieren. Nur wenn wir die Arbeit unseres medizinischen Personals zu schätzen wissen, können wir das Gesundheitssystem in seiner früheren Qualität wieder aufbauen.

Das Gespräch führte Saara Wendisch.


Itai Rusike
ist Direktor des gesundheitspolitischen Netzwerks Community Working Group on Health (CWGH) in Simbabwe.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2010: Staatsaufbau - Alles nur Fassade?
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