Zaungäste am Luxusresort

Im Norden von Honduras soll die afroindigene Garífuna-Bevölkerung von Tornabé einem Golfplatz und einem Fünf-Sterne-Hotel weichen. Die Anwohner befürchten den Verlust ihrer Grundstücke – aber der Gemeindevorstand verspricht sich einen wirtschaftlichen Aufschwung und stellt sich hinter die Pläne von Investoren und Regierung.

Die Garífuna-Gemeinde Tornabé endet an einem Maschendrahtzaun. Er zieht sich quer über den Strand und weiter durch das Gebüsch. Dahinter erinnert eine Plakette an den ersten Spatenstich für das Tourismusprojekt Bahía de Tela im Jahr 2007. In einem Jahr sollen die Sandhügel von einem grünen Golfrasen bedeckt sein. Neben einem Golfplatz mit 18 Löchern sind auf 300 Hektar ein Fünf-Sterne-Hotel, exklusive Villen sowie Baugrundstücke für Musterhäuser vorgesehen. Doch bis das „Los Micos Beach & Golf Resort“ seine Pforten für Touristen öffnet, werden noch einige Jahre vergehen.

Das Projekt ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen der honduranischen Regierung und einem Konsortium privater Investoren, die unter dem Namen „Tourismusentwicklung Bahía de Tela“ (DTBT) firmiert. Mit 14,5 Millionen US-Dollar beteiligt sich die Inter-amerikanische Entwicklungsbank am Bau von Straßen, Strom- und Wasserleitungen. Ob die lokale Bevölkerung von dem Projekt profitiert, ist allerdings fraglich.

Autorin

Jutta Blume

ist freie Journalistin im medienkombinat berlin.

Für Esteban und Lorenza de Güity ist es nicht das erste Mal, dass ein Tourismusprojekt ihr Auskommen bedroht. Ihnen gehört das letzte Strandgrundstück von Tornabé, auf dem eine einfache Holzhütte und einige Kokospalmen stehen. Früher haben die beiden auf 26 Hektar Kokos angebaut. Davon sind ihnen fünf Hektar geblieben und das nur, weil sie sich gegen die Enteignung ihres Landes gewehrt haben. Bereits 1992 wollte die damalige Regierung unter Rafael Callejas westlich des Dorfes ein Tourismusprojekt entwickeln „Sie kamen mit Schecks, auf denen schon eine Summe eingetragen war“, erinnert sich Lorenza de Güity. Dabei gelang es ihnen, den Gemeindevorstand, das Patronat, auf ihre Seite zu ziehen.

„Die Leiter des Patronats haben die alten Leute, denen das Land gehörte, eingeschüchtert. Falls sie nicht unterschrieben, würde man ihnen das Land wegnehmen“, erzählt die ältere Frau mit den mädchenhaften schwarzen Zöpfen. Die sumpfigen Gebiete Tornabés waren nie wirklich bewohnt. Hier bauten die Garífuna Kokos und Yuca an, ernteten Früchte wie Icaco und Strandtrauben, fischten und jagten und schlugen Holz zum Kochen, für den Bau von Häusern und Kanus. Es war der Teil der Gemeinde, der „funktionelles Habitat“ genannt wird und für die traditionelle Lebensweise ebenso wichtig ist wie das unmittelbare Wohngebiet. Im Gegenzug dafür, dass sie diesen Teil ihres Territoriums aufgab, erhielt die Gemeinde einen Landtitel für das Wohngebiet.

Andrea Valerio setzt auf die Verantwortung des Unternehmens

„Gegen die Regierung kann sich niemand stellen“, verteidigt Andrea Valerio die Politik ihrer Vorgänger im Patronat. Doch sie räumt ein: „In den Augen einiger Leute wurde der Gemeinde damit großer Schaden zugefügt.“ Die etwa 50-jährige Lehrerin ist eine elegante Erscheinung mit einem Armband der Nationalen Partei am Handgelenk. Sie ist freundlich, wirkt aber misstrauisch. Valerio hat das Patronat bis 2010 geleitet und ist nun als Vorsitzende der Patronatsföderation dafür zuständig, die Gewinnbeteiligung der Gemeinden an dem Tourismusprojekt zu verwalten. Sie glaubt, dass der Ort von den Touristen profitieren kann. Allerdings müssten die jungen Leute ausreichend darauf vorbereitet werden. „Wir verhandeln mit den Betreibern des Micos-Projekts über den Aufbau einer Ausbildungsstätte in Tornabé, als Teil der sozialen Verantwortung des Unternehmens“, berichtet sie.

Das Ehepaar Güity hat auch ohne Ausbildung in kleinem Maßstab vom Tourismus gelebt. Stolz zeigt Esteban Güity Fotos. „Ich hatte 40 Hütten, 40 Hängematten, fließendes Wasser, aber die Gemeinde – ich meine die Leiter des Patronats – haben es mir abgestellt, wer weiß warum. Jedes Mal, wenn wir hier investieren wollen, legen sie uns Steine in den Weg.“ Güity fürchtet, dass man ihm noch immer sein Grundstück wegnehmen will, weil es auf dem Gebiet von „Los Micos“ liegt. Sein Sohn Mauricio studiert Tourismus, ist dem Projekt gegenüber aber ebenso skeptisch. Die Gemeinde habe sich bereits durch die Bauarbeiter von außerhalb verändert, sagte er und verweist auf Drogenkonsum und Prostitution. Durch die Touristen werde das mit Sicherheit nicht besser. Seine Eltern- und Großelterngeneration habe das Land zu leichtfertig aufgegeben. „Die Geschädigten sind wir, die Söhne und Töchter der Gemeinde.“

Vor etwa sechs Jahren sei der Versuch der Gemeinde fehlgeschlagen, die 1992 aufgegebenen Ländereien zurückzuerobern, berichtet Alfredo López, Vizepräsident der Organización Fraternal Negra de Honduras (OFRANEH). Der 59-Jährige kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte der Garífuna, vor allem für das Recht auf kollektive Landtitel für die Gemeinden. Ermutigt durch die Erfolge der Gemeinde El Triunfo de la Cruz im Kampf gegen ein Tourismusprojekt (siehe Beitrag Seite 36), bat das Patronat von Tornabé OFRANEH um Beratung. Doch Andrea Valerio, damals Patronatspräsidentin, war unschlüssig, ob sie kämpfen oder verhandeln sollte. Und anstatt vor Gericht zu ziehen, nahmen die Patronatsvertreter schließlich das Angebot des Tourismusministeriums an, mit sieben Prozent an den Gewinnen der DTBT beteiligt zu werden.

„Wer weiß schon, ob das Projekt jemals offiziell Gewinne abwerfen wird“, kritisiert Alfredo López die Entscheidung. In Tornabé haben die meisten schon von den berühmten sieben Prozent gehört, wie das Geld verwaltet werden soll, weiß aber kaum jemand. „Was die sieben Prozent angeht, hoffen wir, dass sie in Form von konkreten Dienstleistungen, also zum Beispiel besseren Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche hier ankommen. Wenn sie ausgezahlt werden, kann ich mir vorstellen, dass die Bevölkerung niemals etwas von diesem Geld sehen wird“, zweifelt Mauricio Güity.

Doch nicht nur die sozialen, auch die Umweltfolgen von „Los Micos“ stehen in der Kritik. Entlang der Sandhügel, die einmal der Golfplatz von „Los Micos“ werden sollen, schlängelt sich bereits ein betonierter Weg. Im Schatten eines Baumes sitzen zwei Arbeiter in einem Baustellenfahrzeug und machen Mittagspause. Einer der beiden stammt aus Tornabé. Da schon seine Großeltern das Land der Familie verkauften, sieht er sich gezwungen, auf der Baustelle zu arbeiten. Die Erdarbeiten wirkten sich schon schädlich auf die Umwelt aus, sagt er: „Es dauert, bis nach einem Regen das Wasser wieder abfließt.“ Er glaubt nicht, dass die Umweltfolgen des Projekts vorher sorgfältig geprüft worden sind. Verantwortlich macht er dafür die in Tela ansässige Umweltorganisation Prolansate.

Zweifel an der Integrität der Umweltorganisation

Prolansate verwaltet den Nationalpark „Jeannette Kawas“, ein geschütztes Feuchtgebiet, in dem das Projekt „Los Micos“ liegt. „Man glaubt, dass den Ingenieuren und Zuständigen von Prolansate ein Scheck zugesteckt wurde, damit sie unterschreiben, dass es eine Umweltverträglichkeitsstudie gegeben hat“, sagt der Bauarbeiter. Denn 2005 hatte Prolansate noch heftige Kritik am Verfüllen der geschützten Flächen für einen Golfplatz geäußert und unter anderem die Zerstörung eines wichtigen Trinkwasserreservoirs durch den Bau von „Los Micos“ befürchtet. Heute überwacht die Organisation die Bauarbeiten, obwohl sich an den grundlegenden Kritikpunkten wenig geändert hat.

„Der Schaden ist bereits angerichtet“, sagt der Leiter von Prolansate, Denis Sierra, pragmatisch. Aber mit der Beteiligung an dem Projekt habe seine Organisation mehr erreicht als in der Opposition. Eine Sandbank vor dem Korallenriff habe nun geschützt werden können. Und der Golfplatz sei nur noch halb so groß wie ursprünglich geplant, fügt Sierra hinzu. 

Der Text entstand bei einer Delegationsreise nach Honduras (hondurasdelegation.blogspot.de).

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erschienen in Ausgabe 10 / 2012: Spuren des Terrors
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