Unter schwerwiegendem Verdacht

Der ehemalige Polizeichef von Guatemala, Erwin Sperisen, ist Ende August in Genf verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, während seiner Amtszeit in außergerichtliche Hinrichtungen verwickelt gewesen zu sein. Sperisen besitzt sowohl die guatemaltekische als auch die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Die Liste der mutmaßlichen Verbrechen, die dem heute 42-Jährigen von der Kommission der Vereinten Nationen gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) zur Last gelegt werden, ist lang: außergerichtliche Exekutionen in insgesamt 20 Fällen sowie Mord in neun Fällen – darunter an drei Abgeordneten aus El Salvador und kurz darauf in einem Hochsicherheitsgefängnis an vier Polizisten, die den Mord ihn verübt haben sollen.

Sperisen, von Juli 2004 bis März 2007 Chef der Policia National Civil (PNC), soll Mitglied einer kriminellen Organisation innerhalb des guatemaltekischen Innenministeriums gewesen sein. Auf Betreiben der CICIG wurde ein internationaler Haftbefehl gegen ihn erlassen. Da Sperisen im Skandal um die Ermordung der salvadorianischen Abgeordneten im Jahr 2007 von seinem Posten zurückgetreten und in die Schweiz geflohen ist, kann Guatemala ihn nicht verfolgen. Die Schweiz liefert eigene Staatsbürger nicht aus, kann ihnen aber für im Ausland begangene Verbrechen den Prozess machen.

2010 eröffnete der Genfer Staatsanwalt auf Druck unter anderem von Amnesty International und der Schweizerischen Gesellschaft für Völkerstrafrecht (TRIAL) eine Untersuchung gegen Sperisen. Ein Jahr später folgte ein Rechtshilfegesuch an Guatemala. Nach Sichtung der erhaltenen Dokumente ergäben sich „wichtige Verdachtsmomente“, dass der Ex-Polizeichef in außergerichtliche Hinrichtungen verwickelt gewesen sei, teilte die Staatsanwaltschaft nach seiner Verhaftung am 31. August mit. Drei Tage später wurde die Untersuchungshaft wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr um drei Monate verlängert. Ob Anklage erhoben wird, ist derzeit noch offen.

„Ich bin Opfer einer Diffamierungskampagne“

Sperisen streitet die Vorwürfe ab. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur sda sagte er vor zwei Jahren: „Ich bin Opfer von politischen Manövern und einer Diffamierungskampagne guatemaltekischer Medien. Die Medien sind von Drogenbanden unterwandert – jene Drogenbanden, die ich bekämpft habe.“ Die CICIG sei instrumentalisiert worden.

Sperisen ist nicht der einzige im Visier der CICIG. Insgesamt wurden aus denselben Gründen Haftbefehle gegen 19 Mitglieder der Regierung Oscar Berger (2004-2008) und des Justizapparates erlassen – darunter den damaligen Innenminister Carlos Vielmann, den ehemaligen Chef des Gefängnissystems Alejandro Giammattei sowie hochrangige Polizisten. Der PNC-Chefermittler unter Sperisen, Javier Figueroa, wurde 2011 in Österreich festgenommen, wo er zuvor Asyl erhalten hatte. Ein Auslieferungsgesuch wurde abgelehnt. Wahrscheinlich wird er sich in Österreich für die Gräueltaten verantworten müssen. Die Schweiz unterstützt Guatemala bei der Stärkung der Justiz, im Kampf gegen Straflosigkeit, beim Schutz der Menschenrechte und bei der Vergangenheitsbewältigung. 

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erschienen in Ausgabe 10 / 2012: Spuren des Terrors
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