Kleiner Umzug schlägt hohe Wellen

Venro zieht nach Berlin, das BMZ bedauert das

Vermutlich wäre die Angelegenheit völlig unbemerkt geblieben. Hätte nicht Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Entwicklungsministerium (BMZ), tadelnd den Zeigefinger gehoben – und eilfertig über Twitter und Pressemitteilung verkündet: Der Dachverband der entwicklungspolitischen Organisationen Venro verlegt 2014 sein Hauptquartier offiziell von der früheren Bundeshauptstadt an die Spree. Nun funkte Beerfeltz dazwischen: „Bonn ist die nationale und internationale Schaltstelle und Denkfabrik für Entwicklungszusammenarbeit. Ich fordere Venro auf, seine Umzugspläne zu überdenken.“

Wohl ist man derlei Zwischenrufe aus dem FDP-geführten Ministerium gewöhnt: Schon als die Grünen-nahe Böll-Stiftung ihr Büro in Afghanistan der Sicherheit wegen schloss, hagelte es Kritik von Beerfeltz. Und Minister Dirk Niebel bedauerte wenig später, dass die Stiftung sich aus Äthiopien zurückziehe. Aber warum das BMZ gerade jetzt den NRO-Verband wie seinen Ableger behandelt, muss doch verwundern: Venro hat den Umzug bereits im Dezember 2011 beschlossen – was weder den Bonner Lokalpolitikern noch den Berliner Lenkern entgangen sein dürfte.

Doch es ist Wahlkampf. Es geht um Arbeitsplätze. Und der Bonner SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber redet in Lokalpolitik und -presse gegen seinen Spitzenkandidaten Peer Steinbrück an. Der nämlich sieht „die Zeiten der doppelten Standorte der Ministerien irgendwann zu Ende gehen“. In einem „unseligen Zusammenspiel“, so meinen manche, bekommt Kelber jetzt Schützenhilfe von der FDP.  

Tatsächlich ist der Umzug quasi Geschichte. Von 15 Venro-Mitarbeitern arbeiten zehn bereits in Berlin, drei siedeln um, zwei bleiben in Bonn. Längst fallen in den am Rhein zu Nebenstellen degradierten Ministeriums-Dependancen kaum mehr Entscheidungen – mögen das BMZ und fünf andere Ressorts pro forma dort noch ihren „Ersten Standort“ halten. Wer mit Parlamentariern und Ministerien zu arbeiten habe, könne das nicht von Bonn aus tun, begründet der Venro-Vorstandsvorsitzende Ulrich Post den Schritt. Die Mitgliederversammlung folgte fast einstimmig. Die überhöhten Reisekosten waren für einen nicht eben reichen Verband mit einem Jahresbudget unter einer Million untragbar geworden.

Der "Bonner Generalanzeiger" sieht eine gefährliche Sogwirkung

Dennoch: Für den aufgeschreckten Bonner „Generalanzeiger“ verheißt die Nachricht nichts Gutes. Er befürchtet eine gefährliche Sogwirkung; in der Lokalpolitik müssten deshalb die Alarmglocken schrillen. Weit mehr als 1400 Verbände seien in Berlin vertreten und nur noch 537 in Bonn. Auch viele der Venro-Mitglieder aus der privaten und kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe sind dort ansässig. Mit dem UN-Campus und rund 150 nichtstaatlichen Organisationen wirbt die Stadt für sich als „Knotenpunkt eines Netzwerkes“, das sich „einer zukunftsfähigen Entwicklung der Welt“ widmet. 

Im Wettbewerb um den Sitz des künftigen UN-Klimafonds ist Bonn indes gescheitert. Und während sich das BMZ damit brüstet, den Standort Bonn durch die Servicestelle für die Zivilgesellschaft und das Evaluierungsinstitut DEval gestärkt zu haben, halten Kritiker dagegen, dass Niebel Bonn in Wirklichkeit vernachlässige. Nicht nur der aufgestockte Leitungsbereich sei an der Spree aktiv, auch immer mehr Großveranstaltungen gingen in die Hauptstadt. So mag auch Ulrich Post die Schelte aus Berlin nicht richtig ernst nehmen: „Diplomaten würden das Einmischung in die inneren Angelegenheiten nennen. Wir sagen: Da wirft doch jemand Steine aus dem Glashaus.“ 

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erschienen in Ausgabe 9 / 2013: Solidarität: Was Menschen verbindet
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