Die „Bösen“ mit ins Boot holen

Am Kampf gegen moderne Sklaverei müssen Unternehmen sich aktiv beteiligen

Das war eine Ohrfeige für die britische Regierung. Ihre Anstrengungen, Menschenhandel und moderne Sklaverei zu unterbinden, seien „katastrophal gescheitert“, bilanzierte im März die unabhängige Denkfabrik „Centre for Social Justice“ in einem Bericht mit dem Titel „Es geschieht hier“. Tausende Menschen würden in Großbritannien gegen ihren Willen ausgebeutet und schikaniert – in Bordellen, auf Baustellen oder in Fabriken. Die Polizei schaue nicht genau genug hin, die wenigsten Fälle kämen vor Gericht und häufig würden die Opfer kriminalisiert.

Großbritannien ist kein Einzelfall. Auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern, in den USA und vor allem im globalen Süden werden immer wieder Fälle von der Sklaverei ähnlichen Arbeitsverhältnissen und von Menschenhandel bekannt – wobei der größere Teil im Dunkeln bleibt. In deutschen Fleischfabriken, auf indischen Teeplantagen, ukrainischen Baumwollfeldern oder in Computerfabriken in China: Mehr als 27 Millionen Menschen schuften laut Schätzungen von Experten weltweit ohne Rechte, angemessene Löhne und Perspektiven. Viele von ihnen sind Kinder und Jugendliche aus armen Familien, die ohne Bildung keine Chance haben, aus diesem Teufelskreis auszubrechen.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Auf dem Papier ist die Sklaverei längst abgeschafft. Das regeln zwölf internationale Abkommen und Hunderte nationale Gesetze. Doch wenn in einem Land Zuwanderer wenig Rechte haben und Mindestlöhne in vielen Branchen fehlen, dann schafft das Verhältnisse, in denen Menschen aus Furcht vor Ausweisung und im Kampf ums Überleben erpressbar werden. Und im Rahmen globalisierter Handels- und Produktionswege blüht die moderne Sklaverei mehr denn je. Die „Ware Mensch“ verspricht eben einen hohen Gewinn. Unternehmer profitieren von den Arbeitskräften, und Verbraucherinnen und Verbraucher greifen gerne bei günstiger Kleidung und Lebensmitteln zu.

Nun unternimmt Großbritannien einen neuen Versuch, gegen Ausbeutung und Menschenhandel vorzugehen  – der Bericht des „Centre for Social Justice“ hat offenbar Wirkung gezeigt. Innenministerin Theresa May kündigte Ende August ein Gesetz gegen moderne Sklaverei an, das die bisherigen Regelungen zusammenführen, verschärfen und erweitern soll. Ein Anti-Sklaverei-Bevollmächtigter soll künftig darüber wachen, dass die Regierung und die Strafverfolgungsbehörden die Gesetze mit der nötigen Strenge durchsetzen.

Verbraucher können ihre Marktmacht gezielter ausüben

Eine besondere Neuerung: Es wird darüber verhandelt, auch Transparenzregelungen für Unternehmen in das neue Gesetz aufzunehmen. Ein Vorbild ist der kalifornische „Transparency in Supply Chains Act“, der Anfang 2012 in Kraft getreten ist. Er verpflichtet Firmen mit jährlichen weltweiten Bruttoeinnahmen ab 100 Millionen US-Dollar dazu, offenzulegen, wie sie in ihren Zulieferketten dafür sorgen, dass ihre Produkte nicht mit Zwangsarbeit hergestellt werden. Daran müssen sich unter anderem der Computerhersteller Apple und der Einzelhandelskonzern Walmart halten. Nach Angaben der US-amerikanischen nichtstaatlichen Organisation „Global Freedom Center“ gilt das Gesetz für mindestens 300 Unternehmen.

Wenn es der britischen Regierung gelingt, im Kampf gegen die moderne Sklaverei große einheimische und international tätige Unternehmen mit an Bord zu holen, wäre das ein wichtiger Schritt. Eine solche Offenlegungspflicht wirkt als Anreiz für Unternehmen, ihrer Verantwortung für menschenwürdige Arbeitsbedingungen nachzukommen und Missstände auch bei ihren Zulieferern zu beseitigen. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich darüber informieren, auf welche Weise ein T-Shirt oder ein Mobiltelefon hergestellt worden ist, und damit ihre Marktmacht mit dem Einkaufskorb noch gezielter ausüben. Großbritannien könnte die Chance jetzt nutzen, die Zahl der Unternehmen zu erhöhen, die sich aktiv an der Abschaffung der modernen Sklaverei beteiligen.

In Deutschland dagegen kommt der Kampf gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei nicht recht voran. Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, eine Richtlinie der Europäischen Union fristgerecht umzusetzen, laut der die Opfer besser geschützt und die Täter wirksamer verfolgt und härter bestraft werden sollen. Ihr Gesetz gegen Menschenhandel und Prostitution, das das Parlament mit den Stimmen der Koalition verabschiedet hatte, scheiterte noch kurz vor der Bundestagswahl im Bundesrat – nicht scharf genug, meinte die Opposition. Von einer Einbeziehung der Wirtschaft war ohnehin keine Rede. Das – wie vieles andere – wartet nun auf das neue Kabinett und das nächste Parlament.   

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erschienen in Ausgabe 10 / 2013: Landrechte: Auf unsicherem Boden
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