Entwicklungshilfe: Solidarität statt Almosen

(21.02.2014) „Der Entwicklungshilfe ist nicht mehr zu helfen“, sagt der haitianische Filmemacher Raoul Peck. Doch wie  lässt sich der soziale Wandel stattdessen fördern? Darüber diskutierten Vertreter von NGOs bei einer Konferenz in Frankfurt.

Der Auftakt zur Konferenz „Beyond Aid“ stand ganz im Zeichen der Kritik an den herrschenden Verhältnissen. Die US-amerikanische Soziologin Saskia Sassen erläuterte das Umfeld, in dem Entwicklungshilfe gegenwärtig stattfindet. Die liberalen Demokratien seien im Verfall begriffen, sagte sie bei der Veranstaltung, die unter anderem von medico international organisiert wurde.

Nicht einzelne Menschen missbrauchten das gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzsystem, das System selbst erzeuge systematisch Ausschluss und Vertreibung. Reichtum und Macht konzentrierten sich zunehmend in den Händen weniger, kritisierte Sassen.

Hilfsorganisationen sind Teil des kapitalistischen Systems

Auch der Filmemacher Raoul Peck bezeichnete den Kapitalismus als „Feind“. Viele westliche Hilfsorganisationen hätten sich darin nur allzu gut integriert. „Auf diese Form von Hilfe haben die, denen sie zu Gute kommen soll, keine Lust mehr“, betonte Peck, der mit seinem Film „Tödliche Hilfe“ das Versagen der internationalen Hilfe nach dem Erdbeben in Haiti 2010 dokumentiert hat.

In den vergangenen 60 Jahren sei viel Geld ausgegeben worden, um Armut und Krankheit im globalen Süden zu bekämpfen, doch die Erfolge seien gering. „Wir müssen aufhören, uns mit dieser Situation zufrieden zu geben“, betonte Peck. Die Klagen über korrupte Politiker und Misswirtschaft als Ursache für Ungleichheit und mangelnde Fortschritte könne er nicht mehr hören – das seien keine Besonderheiten von Entwicklungsländern. Es gehe darum, Strukturen zu verändern.

Mark Heywood von der südafrikanischen Aids-Initiative „Treatment-Action-Campaign“ (TAC) erklärte, Hilfsorganisationen müssten sich davor hüten, von wirtschaftlichen oder politischen Interessen vereinnahmt zu werden. TAC sei es zeitweise gelungen, zu einer globalen Bewegung zu werden, die vor allem von HIV-Infizierten und Aidskranken selbst getragen wurde. So sei der Zugang zu Aidsmedikamenten für alle erkämpft worden.

Die Abhängigkeit von Gebern entpuppte sich als "Katastrophe"

Man habe jedoch den Fehler begangen, Fördermittel von Gebern anzunehmen und sich damit abhängig zu machen. Strategische Planungen und Evaluierungen hätten mehr Raum eingenommen als die Arbeit mit den Betroffenen. „Das war für uns eine Katastrophe“, sagte der Jurist.

Derzeit sei TAC dabei, diese Abhängigkeit schrittweise wieder zu reduzieren. Für ihn gehe es um neue Wege, soziale Bewegungen zu unterstützen, die sich für einen Wandel der herrschenden Verhältnisse einsetzen. „Wir wollen keine Almosen mehr“. (gka)
 

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