Pensionäre für Ägypten

Das Entwicklungsministerium will Ägypten beim Aufbau der Verwaltung und der Wirtschaft helfen – mit pensionierten Beamten. Kenner vor Ort sind skeptisch, ob das in der derzeit unübersichtlichen politischen Situation im Land überhaupt etwas bringt.
Gerade erst sorgte die Anklage der ägyptischen Justiz gegen 43 Mitarbeiter von Stiftungen, darunter zwei Mitarbeiter der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, für Schlagzeilen. Man wirft ihnen vor, illegal Gelder aus dem Ausland erhalten und sich in innere Angelegenheiten des arabischen Reformlands eingemischt zu haben. Das Weiße Haus wertete den Prozess als Frontalangriff auf die gesamte zivilgesellschaftliche Szene; das Auswärtige Amt sprach von „absurden“ Vorwürfen. Die ausländischen Stiftungsmitarbeiter, darunter die beiden Deutschen, wurden eilends außer Landes gebracht. An eine Rückkehr, so der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gerd Pöttering, sei derzeit nicht zu denken.

Autor

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Einreisen soll dagegen demnächst ein deutsches „Transformationsteam“aus pensionierten Beamten, angeführt vom FDP-Mann und früheren Landesminister Walter Hirche. Der hält sich zugute, schon einmal „beim Aufbau einer desolaten Wirtschaft“mitgewirkt zu haben: in Ostdeutschland. In Ägypten gelte es, diese Erfahrung „auf die Begebenheiten vor Ort zu transformieren“.

Ersonnen hat das Ganze das Entwicklungsministerium (BMZ) im Zusammenspiel mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Anders als im Fall der Stiftungen sei die deutsche Expertise in Ägypten ausdrücklich „nachgefragt“ worden, erklärten die Minister Dirk Niebel und Philipp Rösler bei der Vorstellung der Idee. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen müsse geholfen werden, indem man die Verwaltungsstrukturen verbessere. Auch die deutsche Außenhandelskammer in Kairo könne dabei gute Dienste leisten. In einem zweiten Schritt ließe sich Ähnliches für Tunesien denken; die Tourismusförderung dort steht schon auf der Agenda. Das BMZ, die staatliche Hilfsorganisation Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Reiseunternehmen TUI haben bereits eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet und wollen in Tunesien Jobs schaffen.

Verschiedene Fonds für die arabischen Reformländer

Geld steht schon bereit. Für das noch zu bildende ehrenamtliche Pensionärsteam für Ägypten sind im BMZ-Etat 250.000 Euro veranschlagt; die Federführung liegt beim Wirtschaftsministerium. Bereits seit vergangenem Jahr gibt es drei Fonds, mit denen Bildung (acht Millionen Euro) und Wirtschaft (20 Millionen Euro) in Nordafrika und dem Nahen Osten gefördert werden sollen. Zudem werden mit dem so genannten SANAD-Fonds (52 Millionen Euro) kleine und mittlere Betriebe gefördert, 42 Millionen hiervon kommen aus dem Entwicklungsministerium. Das Auswärtige Amt hat für den Transformationsprozess in den Ländern des arabischen Frühlings für 2011 bis 2013 je 50 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Ein weiterer BMZ-Fonds ist für Demokratieförderung vorgesehen – er nimmt sich mit 3,25 Millionen Euro vergleichsweise bescheiden aus und soll zur Finanzierung der politischen Stiftungen und die Entwicklung einer freien Presse dienen. Der Ägypten-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Stephan Roll, spricht derweil von einem „politischen Entscheidungsvakuum“im Land. Er hält die Idee, das Pensionärsteam loszuschicken, nicht grundsätzlich für falsch. Aber er ist skeptisch, ob es in dieser Situation und der aufgeheizten Stimmung rund um den Kairoer Prozess gegen die politischen Stiftungen überhaupt irgendwo andocken kann.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2012: China: Alles unter Kontrolle?
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