Ein Premier für die hinduistische Mittelschicht

Als „Sieg für ganz Indien“ feierte Narendra Modi den Ausgang der Wahl in Indien. Die Wähler haben seiner hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) die absolute Mehrheit im Parlament verschafft. Doch unter der neuen Regierung wird die Kluft zwischen Arm und Reich in Indien nicht kleiner werden.

Mit Modi steht der Mann an der Spitze des Vielvölkerstaates, unter dessen Regierung in Gujarat 2002 rund eintausend Muslime ermordet wurden. Es spricht viel dafür, dass der damalige Ministerpräsident die Ausschreitungen billigte, auch wenn ihm das vor Gericht nie nachgewiesen werden konnte. Auch die Christen im Land fürchten den zunehmenden Einfluss der Hindunationalisten. Für die religiöse Hetze verantwortlich sind die lokalen Kader des mit der BJP verbundenen Hindu-Verbands RSS. Ihm verdankt Modi seinen Aufstieg vom Sohn eines armen Teeverkäufers zum mächtigsten Politiker des Landes.  

Liberale Reformen, etwa zur Stärkung der Frauen oder Homosexueller, wird es unter dem Modi kaum geben. Dass Minderheiten systematisch verfolgt werden, ist jedoch ebenso unwahrscheinlich. Indien ist eine gefestigte Demokratie mit langer säkularer Tradition. Die BJP wird daran nicht rütteln. Dafür stehen eine zumindest auf oberster Ebene unabhängige Justiz, eine freie Presse und die föderale Struktur des Landes.

Zum Wahlsieg verholfen hat der BJP weniger der religiöse Fanatismus als vielmehr der Fokus auf die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Modis Mantra von Jobs, Wachstum und Wohlstand kam gut an, vor allem bei den über 100 Millionen Erstwählern und der urbanen Mittelschicht. Auch die ländliche Bevölkerung will lieber Arbeitsplätze statt Almosen. Viele trauen Modi zu, dass er die Wende packt. Er gilt als pragmatischer Machtpolitiker, sein Bundestaat Gujarat als wirtschaftliches Erfolgsmodell.

Autokratischer Führungsstil und liberale Wirtschaftspolitik

Mehr Investitionen aus dem Ausland, Millionen neue Jobs in der Industrie, neue Straßen und eine verlässliche Stromversorgung: Modis Reformpläne verheißen bessere Zeiten, bergen aber auch Konfliktstoff. Mit einer liberalen Wirtschaftspolitik drohen laschere Arbeitsstandards und eine flexiblere Landvergabe an Investoren. Neue Großprojekte laufen in Indien selten ohne Auseinandersetzungen mit den unmittelbar Betroffenen ab. Hier hat bereits die Vorgängerregierung oft mit harter Hand gegen zivilgesellschaftliche Bewegungen durchgegriffen. Der neue Premier, den Kritiker einen autokratischen Führungsstil vorwerfen, wird dabei kaum weniger rabiat vorgehen.

Für Indiens hinduistisch geprägte Mittelschicht sind die Chancen auf mehr materiellen Wohlstand mit Modi gestiegen. Ein Wachstumsmodell, von dem auch die Armen profitieren, hat er bislang nicht zu bieten.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2014: Tschad: Langer Kampf um Gerechtigkeit
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