Deutschland entdeckt den Balkan neu

Der Streit mit Russland über die Ukraine rückt eine weitere Region neu in den Fokus: den West-Balkan. Entwicklungsminister Gerd Müller empfing anlässlich einer Welt-Balkan-Konferenz in Berlin Ende August etliche Regierungsvertreter und sagte seine „volle Unterstützung“ auf dem Weg der Länder in die Europäische Union zu. Eine Schlüsselrolle spielt Serbien.

Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt die Balkan-Region seit 25 Jahren. Seit dem Zerfall Jugoslawiens ist die Zusammenarbeit darauf ausgerichtet, funktionierende Marktwirtschaften sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufzubauen. Auch die Stärkung der Infrastruktur, speziell der Wasser- und Abfallwirtschaft, sind Tätigkeitsfelder. Ein erheblicher Anteil fließt in den Ausbau erneuerbarer Energien und in die Energieeffizienz. So entsteht mit deutscher Entwicklungshilfe gerade der erste Windpark auf dem Balkan. Die Förderung erneuerbarer Energien senkt die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Gas aus Russland.

Nach dem EU-Beitritt Kroatiens vor einem Jahr haben auch Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Kosovo eine Beitrittsperspektive. Sicherheitspolitisch will die EU verhindern, dass ethnische Konflikte und Territorialstreitigkeiten in Südosteuropa wieder aufbrechen. Serbien ist daher der zentrale Partner der Entwicklungszusammenarbeit: Es spielt für die politische Stabilität in der Region eine entscheidende Rolle.

In der Konfrontation mit Russland scheint die EU bemüht, die Region enger an sich zu binden. Die Beziehungen haben eine neue strategische Bedeutung gewonnen. So vergibt Russland umfangreiche Kredite und liefert Energie, um sich Einfluss zu sichern. Die Durchleitung der geplanten Gaspipeline South Stream, die Russland finanzieren wollte, versprach einigen Balkanländern Transitgebühren. Nun wird sie faktisch von der EU blockiert. Besonders Serbiens Haltung zu den westlichen Sanktionen gegen Moskau ist deshalb zwiespältig. Belgrad will sogar Nahrungsmittel wie Milch, Obst, Gemüse und Schweinefleisch nach Russland exportieren und so den EU-Boykott ausgleichen.

Deutsches Anliegen ist es, dass die Länder der Region zusammenarbeiten. Es sei entscheidend, dass die Balkan-Staaten ihr Wirtschaftsrecht stärker aneinander anglichen, sagt Müller. Dann würden auch für ausländische Unternehmen einheitliche Bedingungen geschaffen. Die Region müsse bei den notwendigen Reformen – etwa bei der Modernisierung der Verwaltung oder der Einführung europäischer Produktionsnormen – schnell Fortschritte erzielen. Deutschland plant eine Initiative, die unter Mithilfe des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik deutsche Einkäufer mit südosteuropäischen Lieferanten zusammenbringen soll.

Müller bietet außerdem an, den Umgang mit den von Brüssel geleisteten Fördermitteln für Länder mit Beitrittsperspektive zu erleichtern. Geplant ist ein neues Regionalvorhaben, das die Partnerländer beim Austausch untereinander und mit den EU-Mitgliedern Kroatien und Slowenien sowie bei der Formulierung von Förderanträgen, dem Einsatz der Mittel und der korruptionsfreien Rechnungslegung unterstützt.

Insgesamt hat Berlin den Ländern des westlichen Balkans seit 2005 rund 1,2 Milliarden Euro zugesagt. EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso versprach in Berlin weitere zwölf Milliarden Euro bis 2020.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2014: Hoffen auf die Mittelschicht
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