Europas falsche Freunde

Europäische Länder kooperieren unter anderem mit Eritrea und Sudan, um die Ursachen von Migration zu bekämpfen und sie besser zu steuern. Dabei sind es gerade diese Regime, die Tausende in die Flucht treiben. Ein Kommentar von Gesine Kauffmann.

Die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer setzen die Europäische Union immer stärker unter Druck. Heftig und hilflos debattieren die Mitgliedsstaaten zurzeit darüber, ob und wie sie die Boote der Schleuser mit militärischen Mitteln zerstören und auf welche Weise sie die Asylsuchenden und Migranten gerechter untereinander verteilen können. Möglichst viel Last loswerden oder gar nicht erst schultern, lautet die Devise. Diesem Ziel dient auch eine Initiative, die aus dem öffentlichen Blickfeld geraten ist: der sogenannte Khartum-Prozess.

Darauf haben sich im vergangenen November in Rom 37 europäische und afrikanische Länder geeinigt. Das Ziel: Die Kooperation von Herkunfts-, Transit- und Zielländern zu verstärken, um „irreguläre Migration“ besser zu bekämpfen. Und zwar am besten so, dass Flüchtlinge von der gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer abgehalten werden – etwa indem sie in Aufnahmelagern in Nordafrika einen Asylantrag stellen. Für diesen Vorschlag hagelte es berechtigte Kritik von Flüchtlingsorganisationen und Menschenrechtsaktivisten.

Die EU-Staaten stehlen sich aus ihrer Verantwortung

Mindestens ebenso heikel ist das Vorhaben, im Rahmen des Khartum-Prozesses die Rückführung von Flüchtlingen zu erleichtern. Denn unter anderen saßen in Rom mit am Tisch: Vertreter des Sudan, des zerfallenen Staates Somalia und der Militärdiktatur Eritrea – Regime, die die Menschenrechte ihrer Bevölkerung mit Füßen treten und Menschen mit Repression in die Flucht treiben. Die EU-Staaten verhandeln nun etwa mit Eritrea über eine Reihe von Garantien für Rückkehrer – etwa dass sie nicht gefoltert oder ins Gefängnis gesperrt werden, weil sie das Land verlassen haben.

Doch wer sollte das kontrollieren in einem Land, in dem die Regierung keine Menschenrechtsorganisationen und keine unabhängigen Medien duldet? Ist das den EU-Regierungen egal – Hauptsache, es spielt sich jenseits der europäischen Grenzen und im Verborgenen ab? Bundeaußenminister Frank-Walter Steinmeier pries bei der Konferenz in Rom den „partnerschaftlichen Geist“ des Khartum-Prozesses. Doch Diktaturen sind die falschen Partner im Flüchtlingsschutz. Die EU-Staaten stehlen sich aus ihrer menschen- und asylrechtlichen Verantwortung; sie möchten die Kontrolle der Migration denen überlassen, die dafür denkbar ungeeignet sind und gar die Opfer erst zur Flucht treiben. An Möglichkeiten der legalen Einwanderung führt kein Weg vorbei – darauf sollte mehr Erfindungsreichtum verwendet werden als auf immer neue Ideen, das Problem von sich wegzuschieben.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2015: Indien: Großmacht im Wartestand
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