Eine Steuer für globale Aufgaben

Gegner einer Finanztransaktionssteuer beschwören Horrorszenarien, um sie zu verhindern. Doch angesichts von entfesselten Finanzmärkten, auf denen die Gewinne in private Taschen fließen, die Verluste hingegen der Allgemeinheit aufgebürdet werden, erfüllt die Steuer die Forderung nach Steuerung und Umverteilung.

Die Finanztransaktionssteuer hat in den vergangenen zwei Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht. Von der belächelten Idee angeblich weltfremder Gutmenschen hat sie es bis ganz oben auf die politische Tagesordnung in Deutschland und in der Europäischen Union geschafft. Für alle, die sich für eine solche Steuer eingesetzt haben, ist das ein großer Erfolg – wenn auch keiner, auf dem man sich ausruhen könnte. Denn noch ist nicht entschieden, ob und in welchen Ländern eine Finanztransaktionssteuer eingeführt wird und wie sie genau aussehen wird. Vor allem aber ist die Frage noch offen, wofür die Einnahmen verwendet werden.

Autor

Josef Sayer

war bis Ende März 2012 Hauptgeschäftsführer und Vorstandsvorsitzender von Misereor.

Der Erfolg hat viele Eltern. Neben dem hartnäckigen und kompetenten Einsatz der Kampagne „Steuer gegen Armut“ (und ähnlicher Kampagnen in anderen Ländern) hat vor allem die politische und wirtschaftliche Konjunktur nach der Finanzkrise erheblich dazu beigetragen, dass deutsche Spitzenpolitiker heute zu den prominenten Unterstützern der Transaktionssteuer gehören. Der Anstieg der Staatsverschuldung infolge der extrem teuren Rettungspakete, die nur zögerlichen Fortschritte bei der versprochenen Marktregulierung und die Rückkehr vieler Finanzmarktakteure zu hohen Risiken und schnellen Gewinnen führen zu wachsendem Unmut in der Bevölkerung. „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ ist zum Emblem nicht nur für die Finanzkrise, sondern für einen Finanzsektor geworden, der sich immer weiter von seiner Dienstleistungsfunktion gegenüber der Realwirtschaft entfernt. In dieser Situation einer aus dem Ruder laufenden, immer hektischeren und global vernetzten Finanzwirtschaft passt die Finanztransaktionssteuer als ein Instrument der Steuerung und der Umverteilung.

Dass Banken, Hedgefonds und andere Finanzinstitute, die mit der bisherigen Praxis prächtig verdient haben, das anders sehen, ist nicht verwunderlich. Dass aber auch gewisse Regierungen und Parteien jetzt surreale Horrorszenarien bemühen, um die Steuer zu verhindern, macht das Maß der Abhängigkeit deutlich, in das die Politik inzwischen mancherorts geraten ist. Die Steuer gefährde die Liquidität, bremse das Wachstum, koste Arbeitsplätze und treffe vor allem die Kleinsparer, heißt es.

Die Finanzkrise hat viele Arbeitsplätze gekostet

Die andere Seite der Geschichte wird dabei gern verschwiegen: etwa dass die Steuerzahler die Banken, die sich gegenseitig keinen Kredit mehr geben, liquide halten müssen; dass der (virtuelle) Wachstumsbeitrag dieses Finanzsektors zum großen Teil auf den Sand exzessiver Risiken gebaut ist; dass infolge der Finanzkrise viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind, gerade auch in Entwicklungsländern, während es jetzt um eine viel geringere Zahl hoch bezahlter Jobs in einer aufgeblähten Finanzbranche geht. Und die Kleinsparer? Wenn Banken und Fonds, die ihren Kunden gerne mehrere Prozent im Jahr an Verwaltungsgebühren und Ausgabeaufschlägen in Rechnung stellen, jetzt wegen einer Steuer von 0,01 Prozent aufschreien, kann man das eigentlich nur als zynisch bezeichnen.

Die Umverteilungswirkung der Steuer muss global sein

Der Erfolg der Finanztransaktionssteuer braucht weiter viele Eltern. Und er sollte auch viele Kinder haben. Deshalb setzen sich die Träger der Kampagne „Steuer gegen Armut“ dafür ein, dass die Einnahmen nicht einfach in die öffentlichen Haushalte der sie erhebenden Länder fließen. Denn damit wäre das Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft. Als international koordinierte und erhobene Steuer, deren Steuerungswirkung an den problematischen Seiten der globalen Finanzmärkte ansetzt, sollte auch ihre Umverteilungswirkung global sein.

Die Finanzierung globaler öffentlicher Güter wie Umweltschutz und Klimagerechtigkeit oder der Armutsbekämpfung drängen sich dabei geradezu auf. Denn die bisherigen bilateralen, privaten und multilateralen Finanzierungsmodelle mit ihrer Unberechenbarkeit und dem Mangel an Partizipation lassen zunehmend erkennen, wie ungenügend eine national verankerte Politik gegenüber den großen globalen Herausforderungen ist. Eine internationale (im besten Falle globale) Steuer für globale öffentliche Güter wäre ein starkes Zeichen, dass zumindest einige Regierungen die Herausforderung grenzüberschreitender Verantwortung für diese globalen Güter und Aufgaben tatsächlich angenommen haben.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2012: Hunger: Es reicht!
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