Streit um den Sitz der neuen Entwicklungsagentur

Die Fusion der staatlichen deutschen Entwicklungsorganisationen ist auf gutem Weg, heißt es offiziell. Doch hinter den Kulissen herrscht Unfrieden. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) möchte ihren Hauptgeschäftssitz in Eschborn beibehalten, Minister Niebel beharrt auf Bonn.

„Der Schwanz darf nicht länger mit dem Hund wedeln“, heißt es im Entwicklungsministerium (BMZ). Es gehe nicht an, dass die an Know-how starke GTZ dem Ministerium sagt, was in der Entwicklungszusammenarbeit zu tun ist – statt umgekehrt. Das BMZ will seine Steuerungshoheit zurückgewinnen; darum soll auch die Geschäftsführung der drei Fusionskandidaten GTZ, Inwent und Deutscher Entwicklungsdienst (DED) in Bonn gebündelt werden, unter dem gemeinsamen Namen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Autor

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Doch jetzt droht die GTZ offen mit Verweigerung. Man sehe die Unterstützung der Fusion durch den GTZ-Aufsichtsrat „gefährdet“, sollte die BMZ-Führung bei ihren Plänen bleiben, heißt es unverblümt in einem Schreiben der GTZ-Geschäftsführung an BMZ-Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz, der pikanterweise der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist. Die Begründung: Sollte die Geschäftsführung der neuen Gesellschaft in Bonn angesiedelt werden, müsse vom dann zuständigen Finanzamt Bonn die Gemeinnützigkeit neu geprüft werden – mit ungewissem Ausgang. Das Finanzamt Wiesbaden, das bis jetzt für die GTZ zuständig ist, würde auf eine solche Neuprüfung im Zuge der Fusion wahrscheinlich verzichten, was steuerlich äußerst wünschenswert wäre. Mehr noch: Eine Verlegung der Unternehmensleitung würde die GTZ von ihrem „operativen Kerngeschäft“ in Eschborn trennen – verbunden mit „unweigerlichen“ Effizienzverlusten. Kurz: Die Zentrale der neuen GIZ sei im hessischen Eschborn wesentlich besser aufgehoben als in Bonn.

Für das BMZ kommt Eschborn als Hauptsitz nicht in Frage

Die Intervention der GTZ-Geschäftsführer setzt das Ministerium gehörig unter Druck. Auch Bundestagsabgeordnete der SPD- und Grünen-Opposition aus Bonner Wahlkreisen sind aufgeschreckt. Sie fürchten, die kleineren Organisationen Inwent und DED, die ihren Hauptsitz seit je in Bonn haben, könnten im Fusionsgerangel unter die Räder kommen – eine Sorge, die Entwicklungsminister Dirk Niebel ihnen postwendend zu nehmen suchte, verbunden mit der klaren Ansage: Bonn wird „erster Sitz“ des neuen Unternehmens GIZ. Eine Bündelung von Leitungsfunktionen „nur oder hauptsächlich“ in Eschborn komme nicht in Frage. Denn das würde dem ausdrücklichen Ziel der Reform zuwiderlaufen, den Einfluss des Bundes und des BMZ auf die neue Gesellschaft zu stärken, was – nebenbei – einer Kampfansage an die widerborstige GTZ gleichkommt.

Damit nicht genug. Während sich GTZ und BMZ in der Sitzfrage streiten, fürchten Mitarbeiter von Inwent und DED, dass bei der Zusammenlegung die Rechte der Beschäftigten unter die Räder kommen. Vor dem Bonner BMZ-Dienstsitz forderten sie, unterstützt von der Gewerkschaft Verdi, einen Überleitungstarifvertrag – und zwar vor der Fusion, nicht erst danach, wie ihnen das Minister Niebel zugesagt hat. Ihr Motto: „Den Druck im Kessel hoch halten."

 

erschienen in Ausgabe 10 / 2010: Artenvielfalt: Vom Wert der Natur
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