Aktionsplan weichgespült

Menschenrechte
Der Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte wird sehr viel unverbindlicher ausfallen als von der Zivilgesellschaft gewünscht. So viel steht kurz vor dem voraussichtlichen Beschluss der Bundesregierung im Juni fest.

Demnach wird die Regierung voraussichtlich keine gesetzlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen und deren Lieferketten im Ausland verankern. Beobachter erwarten vielmehr, dass die damit befassten Ministerien unter Federführung des Auswärtigen Amts an ihrer bisherigen Linie der freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft festhalten – allerdings mit anschließender Prüfung. Der stellvertretende Abteilungsleiter für die Zivilgesellschaft im Entwicklungsministerium (BMZ), Bernhard Felmberg, nannte das zu vermutende Ergebnis einen Mittelweg zwischen Fußfesseln und Freiwilligkeit. „Die Vorstellung, mit einem Gesetz alles regeln zu können, ist Allmachtsphantasie“, sagte er.

Gleichwohl gab Felmberg bei einer Podiumsdiskussion Mitte Mai in Berlin zu erkennen, dass sein Ministerium auf den letzten Metern noch stärkere „Klarheit in den Formulierungen“ und eine „Verschärfung im Grad der Verbindlichkeit“ erreichen wolle. Schon bei den Verhandlungen des Textilbündnisses setze das BMZ darauf, einzelne Unternehmen auf notwendige Verbesserungen etwa bei den Arbeitsbedingungen oder beim Umweltschutz hinzuweisen, die diese dann in Eigenregie, aber messbar an verbindlichen Indikatoren abarbeiten sollten.

Für die Wirtschaft ist die Frage der Haftung ein rotes Tuch

Der Begriff der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten geht zurück auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Diese wurden 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen angenommen und müssen auf nationaler Ebene verwirklicht werden. Umstritten ist, wie die Sorgfaltspflichten durchgesetzt werden können. Die Zivilgesellschaft, die in die Vorbereitungen zum Aktionsplan über Monate eingebunden war, will Unternehmen per Gesetz für die Produktionsbedingungen im Ausland in die Verantwortung nehmen. Bei gravierenden Menschenrechtsverstößen sollten sie auch für ausländische Tochterfirmen und Zulieferer sowie Vertriebspartner haften, heißt es in einem Positionspapier der Dachorganisation Venro. Besonders die Haftungsfrage ist für die Wirtschaft aber ein rotes Tuch.

Deshalb empfiehlt ein Gutachten, das im Auftrag von Amnesty International, Brot für die Welt, Germanwatch und Oxfam erstellt wurde, zwar eine gesetzliche Regelung – aber eine, die sich von dem Haftungsgedanken ein Stück weit löst. Die Autoren sehen den Staat sehr wohl in der Pflicht, die Geschäftstätigkeit deutscher Firmen regulierend in den Griff zu bekommen, auch wenn diese sich in anderen Ländern abspielt. Auch sollten Sorgfaltspflichten grundsätzlich in die gesamte Lieferkette hineinreichen.

Doch sollte der Gesetzgeber von Unternehmen zunächst eigene Verfahren verlangen, die sicherstellen, dass sie Menschenrechtsverstöße nicht einfach ignorieren, sondern stoppen. Dazu gehörten eine menschenrechtsbezogene Risikoanalyse sowie daran anschließende Schritte zur Prävention und Abhilfe nach festgelegten Kriterien. Diese gesetzlichen Vorgaben könnten durch staatliche Behörden überwacht und Fehlverhalten etwa durch Bußgelder oder den Entzug von Außenwirtschaftsförderung geahndet werden. In den zuständigen Ministerien haben die Gutachter einen eigenen ausformulierten Gesetzesvorschlag vorgelegt, weil aus ihrer Sicht freiwillige Selbstverpflichtungen nicht funktionieren. In den Eckpunkten sei man von dem vermutlichen Aktionsplan nicht allzu weit entfernt, meinen die Autoren. Doch der Impuls für ein Gesetz fand bei der Bundesregierung offenbar kein Echo.

Der Zivilgesellschaft bleibt somit, ihrer Enttäuschung Luft zu machen und sich auf ein starkes Monitoring durch ein entsprechend ausgestattetes Ministerium, etwa das Arbeitsministerium, einzustimmen. Dennoch: Als Druckmittel gegen Unternehmen, die untätig bleiben, sollte der Aktionsplan wenigstens die Absicht enthalten, gesetzliche Pflichten zu etablieren, falls die freiwilligen Vorgaben nicht befolgt werden, sagte Sarah Lincoln, Expertin für Unternehmensverantwortung bei Brot für die Welt. Wenn Unternehmen folgenlos untätig blieben, mache eine Teilnahme in künftigen Branchenrunden für zivilgesellschaftliche Organisationen kaum noch Sinn.

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