Null Freiheit in Zone 9

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Unruhen in Äthiopien
Kooperation mit Äthiopien
Ein Blogger aus Äthiopien kritisiert die Zustände in seinem Heimatland – und die Haltung der Bundesregierung. Deren Verhältnis zu Äthiopien ist zwiespältig.

Acht Zonen zählt das äthiopische Gefängnis Kality, in dem viele Journalisten eingesperrt sind. Zur „Zone 9“ haben Blogger das restliche Äthiopien erklärt – und zugleich ihre Gruppe so genannt. Auch dieser Raum sei für kritische Gedanken geschlossen, seit das Regime das Internet kontrolliert. Der „Zone 9“-Blogger Jomanex Kasaye floh deshalb ins Exil nach Schweden und kämpft von dort für die Meinungsfreiheit in seiner Heimat.

„Die Regierung hört nicht auf Proteste, das Militär ist am Ruder und hat das Recht zu schießen“, kritisierte Kasaye bei der Werner-Lottje-Lecture, die das Hilfswerk Brot für die Welt mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte veranstaltet hat. Weil die Gefängnisse überfüllt sind, würden Demonstranten inzwischen in Kasernen inhaftiert.

Seit Oktober 2016 gilt in Äthiopien der Ausnahmezustand. Die Zentralregierung, beherrscht von der Minderheitsethnie der Tigrai, entmachtet ganze Bundesländer und geht mit Waffengewalt und Vertreibungen gegen Bevölkerungsgruppen besonders der Oromo und Amharen vor. Zudem werden zivilgesellschaftliche Organisationen bespitzelt und verboten. Von der Bundesregierung fordert der Blogger Kasaye deshalb klare Signale in Richtung Addis Abeba.

Wie aber soll die deutsche Politik mit einem Land umgehen, das als Liebling der Geberstaaten gilt, geopolitisch als Bollwerk gegen islamistischen Terror in Afrika dient und nun auch noch Flüchtlinge von Europa fernhalten soll – sich aber zugleich selbst in ein freiheitsfeindliches Regime verwandelt? Die Bundesregierung steht vor einem Dilemma.

Vorerst kein Geld mehr aus Deutschland

Die Einschränkung der Zivilgesellschaft habe Konsequenzen für die Entwicklungszusammenarbeit, meint Cornelia Füllkrug-Weitzel von Brot für die Welt. Sie sei kaum noch in der Lage, die Bevölkerung im Kampf gegen Armut, um Landrechte oder in der Friedensarbeit zu stärken. Es zeige sich, dass Menschenrechte kein Sahnehäubchen, sondern eine fundamentale Voraussetzung für Entwicklung seien.

Ingrid Hoven, Abteilungsleiterin im Entwicklungsministerium (BMZ), betont, dass die Zahlungen von Entwicklungshilfe für Äthiopien auf Eis lägen. Zuletzt seien 2014 135 Millionen Euro zugesagt worden, seitdem nichts mehr. „Wenn Häftlinge nicht befreit und Gesetze normalisiert werden, fehlt die Grundlage für eine weitere Kooperation“, sagte Hoven. Davon abgesehen versuche man Hilfe direkt in die Bevölkerung zu leiten und die Gesprächskanäle mit der Regierung offen zu halten.

Mit einzelnen Projekten ist Deutschland weiterhin in Äthiopien aktiv. Etwa im Rahmen einer EU-Initiative, die die äthiopische Regierung in der Landentwicklung unterstützt. Zudem hilft Deutschland bei der Versorgung der rund 800.000 Flüchtlinge in verschiedenen Lagern.

„Wir unterstützen keine Grenzsicherung“

Das BMZ habe seine Projekte im Zuge zunehmend autoritärer Tendenzen angepasst, erklärt Hoven. So würden in Hochschulen geschützte Räume der Mitwirkung geschaffen. Und bei den Projekten zur Landentwicklung versuche man, Anwohner zu beteiligen und über ihre Rechte aufzuklären.

In der Kritik steht auch die europäische Migrationspartnerschaft mit Äthiopien. Wenn die EU über Menschenrechtsverletzungen hinwegsehe, um Menschen im Land zu halten, beseitige sie keine Fluchtursachen, sondern schaffe neue, moniert etwa Füllkrug-Weitzel.

Die Hilfe für die Menschen in den Lagern stehe dabei im Vordergrund, entgegnet die Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amts, Bärbel Kofler. Es dürfe nicht darum gehen, Sicherheitsapparate zu stärken, die selbst Teil des Problems seien. Auch Ingrid Hoven vom BMZ weist die Kritik zurück: „Mit den Mitteln der deutschen Entwicklungshilfe wird keine Grenzsicherung finanziert“, sagt sie. Selbst die EU-Hilfe entlang der Flüchtlingsrouten in Afrika dürfe nicht allein als Grenzsicherung schwarzgemalt werden.

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