"Kein Auge zudrücken"

Kindersextourismus
Die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus ist weit verbreitet. Miriam Landhofer erklärt Hotelangestellten, wie sie Kinder besser schützen können – und auch sich selbst.

Ich stehe als Empfangsdame an der Rezeption eines Hotels und es kommt ein Gast mit einem jungen Mädchen, das offenbar nicht seine Tochter ist. Was würden Sie mir empfehlen?
Erst einmal ist es wichtig, dass Hotels eine Kinderschutz-Policy haben. Die Mitarbeiter müssen wissen, dass sie nicht als Einzelpersonen handeln, sondern als Vertreter des Hotels. Sonst kann es passieren, dass sie sich nach dem Motto „der Gast ist König“ verhalten und eher mal ein Auge zudrücken. Es muss ganz klar sein, dass sie keinen Ärger bekommen, wenn sie ihren Verdacht äußern, auch wenn er sich als falsch herausstellt. Das Management muss ihnen vermitteln, dass es derartiges Mitarbeiterengagement zu schätzen weiß.

Wie ausgeprägt ist das Problembewusstsein bei den Managern?
Ich bin unter anderem Kinderschutzbeauftragte der DER-Touristik, bei unseren Hotels sind Schulungen zum Kinderschutz Pflicht. Bei meinen Seminaren in anderen Hotels stehe ich oft morgens da und merke, dass einige Teilnehmer das Thema offenbar nicht wichtig finden und denken, dass so etwas bei ihnen nicht passiert. Spätestens am Nachmittag hat sich das komplett geändert. Und sie haben Werkzeuge an die Hand bekommen, wie sie damit umgehen können.

Welche Werkzeuge sind das?
Wir sprechen darüber, welche Kinder besonders gefährdet sind. Ich stelle den Kinderschutzkodex vor, nenne Möglichkeiten, wie er umgesetzt werden kann. Dazu gehören Kundeninformationen, Null-Toleranz-Klauseln in Verträgen mit Partnern und Mitarbeiterschulungen. Wir besprechen, was die Teilnehmer in ihrem Arbeitsalltag tun können, um zu verhindern, dass Kinder belästigt und missbraucht werden. Daraus wird ein Aktionsplan entwickelt.

Und was tue ich jetzt an der Rezeption?
Zunächst müssten Sie dem Manager Bescheid geben, denn der hat die Handlungsbefugnis. Er kann sich beispielsweise an die Polizei wenden, wobei es auch Orte gibt, an denen das nicht so ratsam ist. Verdachtsfälle können online unter www.reportchildsextourism.eu gemeldet werden. Das Reiseunternehmen sollte auch informiert werden. Dann müssen Indizien sichergestellt werden, hier sind die Putzleute gefragt, denn viele Beweise finden sich auf den Zimmern wie Flecken auf der Bettwäsche oder Kondome und Tücher im Mülleimer. Wie sie mit schwierigen Situationen umgehen können, lernen die Schulungsteilnehmer in Rollenspielen.

Können Sie dafür ein Bespiel nennen?
Da ist zum Beispiel der beliebte Gast, der schon seit Jahren kommt und mit dem Manager per Du ist. Mitten in der Nacht will er ein Mädchen mit aufs Zimmer nehmen. Man will den Ausweis des Mädchens sehen, und er weigert sich. Oder ein Animateur hat Probleme mit einem liebeskranken Teenager. Damit er nicht zu Unrecht eines Übergriffes bezichtigt wird, ist es wichtig, dass er es vermeidet, mit dem Mädchen allein zu sein. Die Hotelmitarbeiter müssen sich auch selbst schützen.

Ist es schwierig für Hotelangestellte, einen Täter zu erkennen? Man sieht es denen ja nicht unbedingt an.
Nein, eigentlich nicht. Sie können in kein Hotel einfach reingehen und sagen, Sie haben jemanden mitgebracht, der schläft jetzt auf Ihrem Zimmer. Dafür müssen Sie den Ausweis der mitgebrachten Person zeigen. Schwierig ist manchmal der Umgang mit Patchwork-Familien, wenn die Kinder andere Nachnamen haben als etwa der Stiefvater. Oder wenn ein Mädchen mit der Familie ihrer besten Freundin in den Urlaub fährt. Da sollte man sich die Einverständniserklärung der Eltern zeigen lassen. Bei meiner jüngsten Schulung in Sri Lanka hatten wir auch einen Fall, in dem die Beziehung zwischen Erwachsenem und Kind nicht eindeutig war. Der Manager hat das Kind dann solange in einem Einzelzimmer untergebracht, bis der Verdacht ausgeräumt war. Die Familie war zunächst sehr konsterniert, hat sich nach einigen Tagen aber für den vorbildlichen Kinderschutz des Hotels bedankt.

Und wie gelingt es, das Gelernte in den Alltag zu übertragen? Gibt es eine Art Erfolgskontrolle?
In Hotels haben alle immer unglaublich viel zu tun. Wir einigen uns dann darauf, das Thema lebendig zu halten. Mindestens einmal im Monat soll bei Besprechungen der einzelnen Abteilungen an die Kinderschutz-Policy erinnert und dazu ermutigt werden, Augen und Ohren offen zu halten. Wenn ein Animateur bemerkt, dass ein Kind blaue Flecken hat oder sehr verschüchtert wirkt, kann er die Zimmermädchen fragen, ob ihnen im Zimmer der Familie etwas aufgefallen ist. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter Hand in Hand arbeiten.

Das Gespräch führte Gesine Kauffmann

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erschienen in Ausgabe 3 / 2017: Indigene Völker: Eingeboren und ausgegrenzt
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