Wider die eigenen Grundsätze

Mit Unverständnis und teilweise harscher Kritik haben in einer Bundestagsdebatte im Dezember Abgeordnete quer durch die Fraktionen auf die deutsche Rüstungsexportpraxis reagiert. Allein im Zeitraum 2004 bis 2007 hat sich der Wert der Ausfuhrgenehmigungen in vielen Bereichen verdoppelt. Mehr Kontrolle sei überfällig, fanden die Abgeordneten unisono mit den Kirchen, die kurz zuvor ihren eigenen jährlichen Rüstungsexportbericht vorgelegt hatten.

Grundlage der Debatte – der ersten zu diesem Thema seit vier Jahren – waren die nicht mehr taufrischen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung für 2004, 2005 und 2006 sowie zwei Anträge der Grünen vom vergangenen Dezember und vom Juni 2007. Darin fragen die Grünen, ob es denn vertretbar sei, deutsche U-Boote an Pakistan zu liefern, wenn diese – womöglich mit Atomwaffen bestückt – im pakistanisch-indischen Dauerkonflikt eine Rolle spielen könnten. Mit der Intransparenz und Geheimhaltungspraxis des Genehmigungsverfahrens müsse Schluss gemacht werden. Über Rüstungsexporte müsse künftig das Auswärtige Amt federführend entscheiden, nicht das Wirtschafts­ministerium mit seiner stets vorherrschenden Sorge um das Wohlergehen der Industrie. Zudem sei mehr parlamentarische Kontrolle dringend notwendig.

Ihren Rüstungsexportbericht für 2007 hatte die Bundesregierung erst Stunden vor der Debatte vorgelegt – zu spät, um ihn dort noch zu behandeln. „Mich stört es, wenn wir die Zahlen als Erstes von der GKKE erhalten“, befand verärgert der Unions-Abgeordnete Erich G. Fritz. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hatte – wie schon seit Jahren – ihren eigenen Report früher vorgelegt als die Regierung. Aus ihm geht hervor, dass sich der Wert der Ausfuhrgenehmigungen im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr um stattliche 13 Prozent erhöht hat – auf 8,7 Milliarden Euro. Als besonders besorgniserregend bezeichnen es die Kirchen, dass erneut Lieferungen in Länder genehmigt worden seien, die in schwere Gewaltkonflikte verwickelt seien, etwa Indien, Pakistan, Afghanistan, Nigeria, Thailand und Israel.

Die Kirchen nehmen außerdem Anstoß daran, dass ein Viertel aller Einzelausfuhrgenehmigungen an Staaten gegangen ist, die auf der Empfängerliste der OECD für staatliche Entwicklungshilfe stehen, was in klarem Widerspruch zum EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte stehe. Insbesondere Kleinwaffen nähmen massenhaft ihren Weg dorthin. Den Kirchen ein Dorn im Auge ist ferner der erneut steile Anstieg von Sammelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsbauteile. Wie diese verwendet würden und wo sie am Ende landeten, bleibe weithin im Dunkeln, kritisieren sie: „Es besteht ein gravierender Mangel an transparenter Berichtslegung.“

Wie die Kirchen forderten auch viele Abgeordnete von der Regierung, den Verhaltenskodex der Europäischen Union und die eigenen politischen Grundsätze für die Exporte von Rüstungsgütern strikter anzuwenden. Es gehe nicht an, so die Grünen-Fraktion, dass der Bundestag von wichtigen Rüstungsentscheidungen des geheim tagenden Bundessicherheitsrats oft erst im Nachhinein erfahre – und das auch noch mit bis zu zweijähriger Verzögerung. Kommentar der Linkspartei im Bundestag: Wer zu den weltweit fünf wichtigsten Rüstungsexporteuren gehöre, solle zusehen, dass das nicht so bleibt, anstatt den „abrüstungspolitischen Musterknaben“ zu spielen. Johannes Schradi

erschienen in Ausgabe 2 / 2009: Migration: Zum Schuften in die Fremde
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