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Entwicklungsminister
Gerd Müllers Forderung nach Zollfreiheit für Afrika ist populistischer Unfug.

Entwicklungsminister Gerd Müller will Afrika helfen, damit junge Menschen dort eine Zukunft haben und nicht nach Europa abwandern. In einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ hat er das gerade bekräftigt und einige Schritte genannt, wie er das erreichen will. Die meisten sind leider wenig durchdacht und gehen an wichtigen Tatsachen vorbei.

Müller nennt vor allem zwei Wege, wie Deutschland und Europa die Entwicklung Afrikas unterstützen sollen: mit Investitionen deutscher Unternehmen, gerade aus dem Mittelstand, und mit der Öffnung des europäischen Marktes für Exporte aus Afrika. Beides ist irreführend – schon weil Müller alle Länder des Kontinents in einen Topf wirft. Für 33 der 55 Staaten Afrikas ist der Markt Europas längst weitgehend offen. Denn sie zählen zu den „am wenigsten entwickelten Ländern“ (LDCs), die unter dem Programm „Everything but Arms“ (EBA) alle Produkte außer Waffen zollfrei nach Europa einführen dürfen. Ihre Exporterlöse sind aus anderen Gründen gering – etwa weil diese Länder wenig anbieten können außer Rohstoffen, weil Infrastruktur für den Transport fehlt oder wegen Kriegen und Unruhen.

Europas Handelspolitik schafft andere Probleme

Auch für viele andere Länder Afrikas sind Europas Zölle nicht das vordringliche Problem. Wenn Müller klagt, der europäische Markt sei „faktisch gesperrt“, dann ist das populistischer Unfug. Ein Problem für Afrika ist Europas Handelspolitik aus anderen Gründen. Zum Beispiel untergräbt die EU mit ihren Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) die Bemühungen afrikanischer Staaten, regionale Wirtschaftsräume zu schaffen und damit den Handel untereinander zu erleichtern.
 
Und dass sich deutsche Unternehmen in Afrika im selben Umfang engagieren wie chinesische, wird ein frommer Wunsch des Ministers bleiben. Wenn er seinen Plan umsetzt, Mittelständlern mehr Risiken in Afrika abzunehmen, mag das ein paar hilfreiche Investitionen etwa in Wind- und Solaranlagen auslösen – subventioniert mit deutschen Steuern. Mit dem strategischen Engagement staatlicher oder parastaatlicher chinesischer Großkonzerne in der  Rohstoffförderung und im Straßenbau Afrikas ist das aber nicht vergleichbar.

Zudem werden deutsche Firmen nur in Länder des Kontinents gehen, in denen die Geschäftsaussichten relativ gut sind: Die ausländischen Direktinvestitionen in Afrika fließen zu drei Vierteln in nur sechs Länder. Die Entwicklungspolitik sollte nicht vorrangig deutsche Investitionen fördern, sondern die Versuche afrikanischer Staaten unterstützen, eine einheimische Fertigung aufzubauen – und die kann mit deutschen Firmen, zum Beispiel bei Solarenergie, durchaus in Konkurrenz geraten.

Keine durchdachten Rezepte

Es ist lobenswert, dass Müller sich dafür einsetzt, die Entwicklungsprobleme und -chancen Afrikas in Europa ernst zu nehmen. Das wäre aber nur überzeugend, wenn er durchdachte und sachgerechte Rezepte lieferte, wie er seinen Zielen näher kommen kann. Und er müsste dafür auch einmal offen streiten. Um beides mogelt er sich herum.

Ein Beispiel ist Müllers bemerkenswerte Einsicht am Ende des Interviews, Europa könne sich „nicht völlig abschotten“ und müsse Afrikanern „legale Möglichkeiten eröffnen, um in Europa zu arbeiten“. In der Tat: Nur so könnte man dem Schlepperwesen den Boden entziehen, afrikanischen Regierungen echte Anreize zur Migrationssteuerung geben und dem Sterben im Mittelmeer und in der Sahara entgegenwirken. Man müsste den Entwicklungsminister für diese Andeutung einer unbequemen Wahrheit loben, wenn er nicht immer behaupten würde, dass er mit den Vorkämpfern der Abschottung in seiner eigenen Partei wie Innenminister Horst Seehofer im Grunde einig ist. Wie ernst kann man seine neue Einsicht da nehmen?

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erschienen in Ausgabe 9 / 2018: Drang nach Schönheit
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