Uneinig bei Geld und Migration

AKP-Abkommen
Der Cotonou-Vertrag zwischen der EU und der Gruppe der AKP-Staaten (Afrika, Karibik und Pazifik) aus dem Jahr 2000 läuft im Februar 2020 aus. Seit Oktober verhandeln beide Seiten über ein Nachfolgeabkommen. Die Tagesordnung hält einige harte Nüsse bereit.

Eine Bestandsaufnahme der EU zum geltenden Vertrag ergab 2016 ein durchwachsenes Bild. Der Pakt habe zwar zur Reduzierung der Armut beigetragen. Die Integration der AKP-Länder in die Weltwirtschaft sei aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Bei der Förderung von Menschenrechten und Demokratie sei die Bilanz der AKP-Partner „gemischt“. Überzeugende Antworten zum Umgang mit Migration seien nicht gegeben worden.

Seit Mitte Oktober verhandeln beide Seiten über ein neues Abkommen, das bis Sommer 2019 unter Dach und Fach sein soll, damit Zeit für die Ratifikation bleibt. Auf allgemeiner Ebene zeigen sich die EU und die AKP-Gruppe sehr nahe. In ihren Verhandlungsmandaten bekennen sie sich zum Multilateralismus und zu einer gleichrangigen Partnerschaft. Als Rahmen für das neue Abkommen verweisen beide Seiten auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen .

Doch die Details offenbaren gewichtige Unterschiede, vor allem beim Thema Migration. Im AKP-Mandat ist kein einziges Mal von irregulärer Migration die Rede. Stattdessen wird hervorgehoben, dass die Rückkehr von Migranten und Flüchtlingen in die Heimat freiwillig sein müsse. Entwicklungshilfe dürfe nicht als Druckmittel für schärfere Grenzkontrollen genutzt werden, fordern die AKP-Länder. Im EU-Mandat dagegen nimmt die irreguläre Migration breiten Raum ein.Brüssel fordert, dass „Entwicklung, Handel und Visa“ als Hebel zu deren Eindämmung genutzt werden.

Auch bei den Finanzen liegen beide Seiten weit auseinander. Die AKP-Gruppe will den Status quo bewahren: Der Europäische Entwicklungsfonds (EDF), bei dem sie eine Mitsprache hat, solle weiter außerhalb des EU-Haushaltes angesiedelt bleiben. Demgegenüber hat die EU-Kommission bereits Pflöcke in eine ganz andere Richtung eingeschlagen: Für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 hat sie vorgeschlagen, den EDF in den Haushalt zu integrieren und dort in einem neuen Instrument aufgehen zu lassen. Voraussichtlich wird die EU sich als Geldgeber durchsetzen. AKP-Generalsekretär Patrick I. Gomes ist deshalb von der Maximalforderung abgerückt und verlangt, dass bei einer Integration des EDF in den Haushalt das Geld für den Partnerschaftsvertrag vorgemerkt und die weitere Beteiligung der AKP-Gruppe sichergestellt werden.

Die EU will die AKP-Gruppe für Länder in Nordafrika öffnen

Eine weitere Weichenstellung steht bei der Frage an, welche Länder künftig zu der Partnerschaft gehören sollen. Aus geschichtlichen Gründen sind alle Subsahara-Länder dabei, nicht jedoch die nordafrikanischen Staaten, darunter Ägypten, das im kommenden Jahr die Präsidentschaft der Afrikanischen Union (AU) übernimmt. Um die Vertretung der AU und des Maghreb wird seit Monaten gerungen. Die EU pocht auf Öffnung der AKP für Nordafrika.

Brüssel will zudem den neuen Pakt als Rahmenvertrag anlegen und die „regionalspezifischen Prioritäten“ in maßgeschneiderten Protokollen für Afrika, die Karibik und die Pazifik-Länder angehen. Im Afrika-Protokoll soll der AU eine wichtige Rolle zukommen, heißt es im EU-Mandat. Zurückhaltender gibt sich die AKP-Gruppe, der die AU in den vergangenen Jahren als Gegenüber der EU starke Konkurrenz gemacht hat. Sie pocht in ihrem Mandat auf die „Wahrung der geografischen Charakteristiken“ der AKP-Gruppe. Während das EU-Mandat bereits in die geplanten allgemeinen und regionalspezifischen Bestimmungen aufgeteilt ist, ist das AKP-Mandat allein thematisch strukturiert. Generalsekretär Gomes spricht aber inzwischen davon, dass die AU-Kommission bei den Verhandlungen „Input“ liefern werde, wenn es um Afrika geht.

Vereint sein könnten AKP und AU in den Verhandlungen über einen weiteren möglichen Knackpunkt, die Menschenrechte. Wiederholt Diskussionen ausgelöst hat der Sanktionsmechanismus in Artikel 96 des Cotonou-Vertrages, nach dem bei schweren Menschenrechtsverletzungen sogar die Anwendung des Abkommens ausgesetzt werden kann. Gomes kritisiert, der Artikel sei bisher einseitig zulasten des Südens angewandt worden. Europa habe aus einer „moralistischen Position“ eher auf das Verurteilen von AKP-Ländern gesetzt statt auf lösungsorientierten Dialog. Die EU will an der Bestimmung festhalten, Gomes zumindest eine „andere Anwendung“ sicherstellen.

Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof?

Ein weiterer Stolperstein könnte die im EU-Mandat vorgesehene Verpflichtung der Vertragspartner zur „uneingeschränkten Zusammenarbeit“ mit dem Internationalen Strafgerichtshof sein. Das könnte besonders bei afrikanischen Ländern wie dem Sudan Widerstand provozieren.

Ein anderes Thema, das bisher die Beziehungen zwischen EU und AKP belastet hat, könnte jedoch weitgehend ausgeklammert bleiben: die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs). Die Verhandlungen darüber beziehungsweise die Umsetzung der bereits beschlossenen EPAs stocken. Klaus Schilder von Misereor sagt: „Ich erwarte hier vom neuen Vertrag keine großen Impulse für mehr Gerechtigkeit.“ Er begrüßt den Widerstand von Ländern des Südens gegen die als unfair empfundenen Handelsbestimmungen, weil das von einem gewachsenen Selbstbewusstsein künde. Dennoch sieht Schilder die Entwicklungsländer gegenüber Europa handelspolitisch weiter in einer schwächeren Position.

In den Verhandlungen mit der AKP-Gruppe könnte sich niederschlagen, dass die EU in den kommenden Monaten stark mit sich selbst beschäftigt sein wird. Pedro Morazán vom Bonner Südwind-Institut befürchtet, dass vor allem die Europawahlen den Druck erhöhen werden, der Öffentlichkeit zu zeigen, „dass wir bei Migration hart bleiben und schnell private Investitionen mobilisieren können“. Nach Ansicht von Morazán müsste es in den Verhandlungen jedoch viel stärker um langfristige Ziele wie nachhaltige Entwicklung, die Anpassung an den Klimawandel, Entwicklungsfinanzierung und eine kohärente Handels- und Agrarpolitik gehen.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2018: Mehr als Reis und Weizen
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